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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Leben fertig werden konnte. Ja, manchmal hatte sie Sybille wegen deren Weinerlichkeit sogar verachtet. Sie war sich so viel stärker vorgekommen! Hatte sich eingebildet, ihr Schicksal selbst bestimmen zu können. Ha! Welche Vermessenheit! Etwas vorgemacht hatte sie sich! Xelia sackte wieder zusammen. Ihre Hände zerrupften das Gras ringsum, wühlten sich durch den Boden, bis sich die braune Erde unter ihren Nägeln staute und abfiel. Ihr Oberkörper wiegte sich hin und her. Und langsam, ganz langsam begann sie eine Wahrheit zu akzeptieren: Samuel war nie eine Möglichkeit zur Flucht gewesen. Er hatte ihr Zusammensein genossen, doch als es dann ernst wurde, hatte er gekniffen wie der feigste Hund.
    Aber war es nicht immer so, dass die Weiber die Dummen waren? Ihre eigene Mutter war doch das beste Beispiel dafür! Was hatte die denn in ihrem Leben gehabt außer Mühsal? Xelia konnte sich nicht erinnern, dass der Gerber je auch nur ein einziges freundliches Wort an Eulalia gerichtet hatte. Oder an sie. Immer war sie der Prügelknabe für alles, was schief ging, gewesen! Und noch ein Beispiel fiel ihr ein: Samuels Mutter schien es – trotz all ihrem Reichtum – auch nicht besserzugehen. Auch sie war ihrem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Und noch eine Erkenntnis fuhr ihr plötzlich wie ein Blitz in den Sinn: Feltlins plötzlicher Entschluss, sie, Xelia, davonzujagen, hatte nichts damit zu tun, dass er ihr die Freiheit schenkte. Von wegen! Wahrscheinlich war sie wegzujagen in seinen Augen die schlimmste Strafe, die er sich hatte ausdenken können. Er glaubte sicher, allein würde sie elend umkommen.
    Â»Mörder!«, schrie Xelia in den Wald hinein. »Dich brauch’ ich nicht! Ich komm’ auch allein zurecht!«
    Sie hatte das Gefühl, als sei in ihrem Innersten eine Schleuse geöffnet worden, und die ganze aufgestaute Wut ihres Lebens ergoss sich nun in einer unkontrolliertenFlut. Xelia konnte nicht aufhören zu toben, musste alles hinausschreien, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie schließlich vor lauter Erschöpfung still wurde. Erst dann krabbelte sie wieder in die Höhle.
    Dort legte sie sich hin – und war allein.

~ 13 ~
    P hilip erwachte mit schwerem Kopf und bleiernen Gliedern. Wo war er?
    Die weißgekalkten Wände, die auf ihn einzustürzen drohten, der modrige Geruch nach Altertum und Feuchtigkeit im Mauerwerk – alles kam ihm fremd vor.
    Und wo war Alois?
    Er setzte sich auf und rieb sich lange die Augen. Sie brannten, als hätte er zu lange an einem offenen Feuer gestanden. Langsam kam die Erinnerung wieder. Er war im Spital des Benediktinerklosters von Blaubeuren. Die Kammern waren zwar klein und dürftig, dafür war der Wein in der Spitalschänke umso besser gewesen. Während er eine bereitgestellte Brunzkachel benutzte, wurde sein Gedächtnis langsam immer wacher. Nach seinem Entschluss, Hyronimus nicht zu besuchen, war er im Kloster gelandet und hatte zusammen mit einer Gruppe von italienischen Kaufleuten die Nacht durchgezecht. Plötzlich ekelte ihn der Geruch seines Urins, der – wie zur Strafe – sauer und nach Krankheit roch. Hastig schob er die Kachel in eine Ecke der Kammer. Was war nur in ihn gefahren? Sich zu betrinken wie der dümmste Bauer? War er dafür vom Herzog auf die Reise geschickt worden?
    Sein Kopf pochte, während er sich die Stiefel zuschnürte. Seine Kehle war durch einen dicken Kloß verstopft, den er am liebsten ausgespuckt hätte. Mechanisch packte er seine Sachen zusammen, nicht ohne zu kontrollieren, ob noch alles da war. Wenigstens hatte er sich im Rausch nicht bestehlen lassen!
    Philip streckte sich und spürte, wie das Blut langsam zurück in seine Glieder floss. Ah, wie gut würde ihm die frische Waldluft tun! Er freute sich sogar auf den Gaul,der die Nacht in der klösterlichen Stallung verbracht hatte. Für einen Wucherpreis, Wie Philip nun wieder einfiel. Doch bevor er Alois abholte, würde er sich ein Bad und ein warmes Morgenmahl gönnen. Wer wusste schon, wann ihm solche Annehmlichkeiten in nächster Zukunft wieder zuteil werden würden! Die nächsten Nächte hieß es wohl, unter freiem Himmel zu schlafen. Mit etwas Glück ließ sich vielleicht eine verlassene Scheune finden, doch darauf wollte er nicht wetten. Das Wegstück, das vor ihm lag, war nicht nur steil, sondern auch einsam. Wen

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