Die Liebe des Kartographen: Roman
seinen Namen hatte er bisher genannt!
Er hatte in der Zwischenzeit den Inhalt seiner Taschen ringsum ausgebreitet â wahrscheinlich, um nachzusehen, ob noch alles da war â und wieder eingepackt. Als er aufschaute, wanderte sein Blick stur an ihr vorbei. »Du bist ja immer noch da! Wenn du jetzt nicht gleich den Gaul holst, machâ ich dir Beine! Ich will so schnell wie möglich weg.«
Er hatte offensichtlich immer noch nicht verstanden, dass er gar nichts machen konnte! »Das geht nicht«, antwortete sie und war stolz auf den Gleichmut in ihrer Stimme. »Ich kann dich nicht weglassen. Du bleibst hier.«
~ 18 ~
P hilip spürte, wie er müde wurde. Den ganzen Tag â war es Tag, war es Nacht? In der verfluchten Höhle konnte man nicht einmal das wissen! â hatte er mit der Wilden gestritten. Als sie sich seinen Anweisungen schlicht und einfach widersetzt hatte, war er erst einmal sprachlos gewesen. Angesichts seiner misslichen Lage hatte er dann mit einer freundlicheren Rede versucht, sie umzustimmen. Doch vergeblich. Die Wilde â wahrscheinlich war sie eine von den Wegelagerern, die stets im Wald lebten â hatte sich einfach nicht mehr um ihn gekümmert und so getan, als wäre er gar nicht da. Seelenruhig hatte sie mit einem Ast einige Hand voll Kräuter zerstampft und dieses Mus auf sein Bein gestrichen. Stocksteif und mit tausend unausgesprochenen Protesten auf den Lippen, hatte er sie gewähren lassen. Dass sie mehrmals auf den Brei gespuckt hatte, hatte er auch gesehen! Philip stöhnte laut auf. Hexenkraut! Aber was hätte er tun sollen?! Solange ihm nichts Gescheites einfiel, war er ihr hilflos ausgeliefert. Auch, als sie mehrere Aste an sein Bein gehalten und einen davon als Schiene ausgesucht hatte, hatte er nur zusehen können. Gerade so, als habe er mit seinem Bein nichts zu tun. Mit einem Lumpen, der genauso unappetitlich stank, wie er aussah, hatte sie dann ihr Machwerk verbunden, während er mit seinem linken Bein heftig hin und her gezappelt und sie mit allen Schimpfwörtern, die ihm eingefallen waren, überschüttet hatte.
Er musste allerdings zugeben, dass sich der Kräuterbrei kühl und gut anfühlte. Auch die stechenden Schmerzen im Knie hatten nachgelassen, was jedoch sicher nicht von ihrem Tun herrührte. Wahrscheinlich war gar nichts gebrochen! Aber dann müsste er aufstehen können â¦Warum nur konnte er nicht ⦠Abermals versuchte er, in die Höhe zu kommen. Umsonst. Mit dem steif geschienten Bein konnte er gerade einmal sitzen.
»Hast du Durst? Willst du was essen?«, wurde er plötzlich von der Wilden aus seinen Gedanken gerissen. Wie ein Geist hockte sie vor ihm, dunkel und gefährlich.
Er drehte den Kopf weg. Glaubte sie etwa, er würde auch nur eine Krume, die sie mit ihren dreckigen Händen anbrachte, anrühren?
Sie zuckte mit den Schultern. »Musst du Wasser lassen? Oder �«
Er winselte angesichts der zu erwartenden Worte, doch sie sprach nicht weiter. Seit Stunden musste er pinkeln wie Alois, sein Gaul, aber das wollte er ihr nicht sagen. In welche Lage war er da nur gekommen! Da er nicht antwortete, drehte sie sich weg.
»Auch gut. Wenn du irgendwann doch einmal deine Notdurft verrichten musst, dann sag es. Glaub ja nicht, dass ich dich wasche, wenn etwas davon in die Hose geht.« Sie drehte sich so ruckartig um, dass ihr weiÃblonder Zopf durch die Höhle schleuderte und ihn an der Schulter traf. Dann verschwand sie nach drauÃen.
Wie sprach das Weib mit ihm? Was erlaubte sie sich? Philip blies in seine Backen, schwieg aber. Was hätte er schon sagen sollen? Um den Drang zu urinieren weiter unterdrücken zu können, schlug er sein gesundes Bein über das geschiente. Doch das tat zu weh, und so legte er es nach wenigen Augenblicken wieder zur Seite. Er versuchte, an etwas anderes zu denken.
Er musste einen Weg finden, um aus diesem Gefängnis hinauszukommen! Nur wie? Alois, der brave Alois, war weg, und er selbst konnte nicht einmal aufstehen, geschweige denn laufen. Aber vielleicht war es gut, dass das Pferd davongelaufen war. Vielleicht würden sie deshalb nach ihm suchen. Es kam schlieÃlich nicht alle Tage vor, dass ein herzöglicher Kartograph einfach verschwand!Vielleicht hielten sie ihn für tot? Vielleicht glaubten sie, er sei wie der Sohn des Tuchhändlers ermordet worden? Dann würden sie aber
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