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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Xelia im ersten Augenblick glaubte, sich verhört zu haben. Sie drehte sich zu ihm um und hatte schon eine spöttische Antwort bereit, als sie sich anders besann. Sie war für sein Wohl zuständig, auch wenn er ein schrecklicher Mensch war. »Ich hab’ kein Wasser mehr da, muss erst wieder welches holen. Aber einen Apfel kann ich dir geben. Von mir aus auch zwei. Die sind so saftig, dass sie deinen Durst stillen werden.«
    Ohne ein Wort zu sagen, langte er nach der Frucht. Xelia nahm sich ebenfalls eine.
    Sich feindselige Blicke zuwerfend, verzehrten sie beide schweigend die Früchte, bis nur noch die kleinen Stummel übrig blieben.

~ 20 ~
    A uch in den nächsten Tagen wurde die Stimmung zwischen ihnen keinen Deut besser. Xelia verfluchte ihre Entscheidung, den Verletzten bei sich aufgenommen zu haben, von Tag zu Tag mehr. Philip Vogel zeigte sich kein bisschen dankbar für das, was sie auf sich nahm, um ihn gesund zu pflegen. Und das war nicht wenig: Weit gelaufen war sie, um Moos zu sammeln, damit auch er eine weiche Unterlage zum Schlafen hatte. Natürlich hätte sie einfach das Moos in der Umgebung ihrer Höhle abrupfen können, doch wären ihr diese Spuren zu verräterisch erschienen. Bisher hatte ihr das Wasser gereicht, das sie bei einem Gang zum Bach in ihrem Holzschöpfer holen konnte, wegen ihm musste sie nun dreimal täglich zum Bach. Das bedeutete, sie lief dreimal Gefahr, entdeckt zu werden! Die Kräuter, die sie sammelte und von denen sie sich ernährten, nahm er ohne ein einziges Wort des Dankes an, um sie danach mit Todesverachtung zu kauen. Brachte sie ein neues Kraut mit, wartete er jedes Mal ab, bis sie selbst davon gegessen hatte, dann erst nahm er es in den Mund. Glaubte er etwa, sie würde ihn vergiften wollen? Nur die Apfel und Birnen, die sie stehlen ging, schien er mit wahrem Appetit zu verzehren. Aber sie traute sich nicht, noch mehr davon zu pflücken. Sie wusste, dass die Dorfbewohner auf die Früchte angewiesen waren, die einen wichtigen Teil ihres Wintervorrats ausmachten. Würden sie den Diebstahl bemerken, stellten sie womöglich noch nächtens Wachen auf! Das wollte Xelia nicht riskieren. Dann schon lieber Löwenzahn essen.
    Wenigstens sein Bein war ein Lichtblick: Jeden Tag nahm Xelia den Lumpenverband ab, tupfte das Bein mit einem nassen Tuch ab und erneuerte den Pflanzenbrei, bevor sie es wieder verband. Was sie ertastete, fühlte sich gut an: Das Fleisch über seinen Knochen schien fester zu werden, die beiden Knochen dank der Holzschiene in ihre alte Stellung zurückzufinden. Als sie ihm dies mitteilte, war seine Antwort ein Grunzen gewesen.
    Es war ungefähr eine Woche nach seiner unfreiwilligen Ankunft in ihrer Höhle. Xelia hatte auf den Wiesen am Waldrand wilde Möhren entdeckt und diese ausgegraben. Nun war sie dabei, die dürren, teilweise von Tieren schon angenagten Stängel von Erde und Sand zu befreien. Unter ihren Nägeln befand sich eine dicke schwarze Erdschicht, die Haut dahinter war wund und schmerzte. Trotzdem freute sie sich über ihren Fund, bedeutete er doch eine Abwechslung auf ihrem mageren Speiseplan.
    Â»Seit wann haust du eigentlich schon hier?« Für einen Augenblick war Xelia völlig überrumpelt. Was war denn in ihn gefahren? Er hörte sich ja beinahe freundlich an! Auch war ihr nicht entgangen, dass er »hausen« statt »verstecken« gesagt hatte. Sie lachte bitter auf. »Fünf Tage länger als du.«
    Â»So kurz erst? Das hätte ich nicht gedacht.« Er klang so verhalten, als würde er für jeden gesprochenen Satz einen ungesagt lassen. Wollte er ihr Vertrauen erschleichen? Führte er etwas im Schilde? »Und wieso nicht?«
    Â»Weil …«, jetzt zuckte er mit den Schultern, »mir scheint es, als hättest du dich schon vor ewiger Zeit hier eingerichtet. Alles, was du tust, sieht so aus, als würdest du nichts anderes kennen.« Er zeigte auf den hölzernen Schöpflöffel, mit dem sie Wasser holte. »Die Kelle da. Die hast du doch selbst gemacht, oder? Woher kannst du solche Dinge?«
    Hatte er also doch nicht nur an ihr vorbeigeschaut! »Woher ich das kann? Was ist das für eine Frage? Ich weiß nicht. Ich kann’s halt.« Xelia musste angesichts seiner interessierten Miene lächeln. Hatte sie ihn schon wieder miteiner zu simplen Antwort enttäuscht! »Du wirst es wohl auch können!«,

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