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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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der Tote durch eine dieser Waffen ums Leben gekommen? Oder …
    Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Von einem Augenblick zum andern wurde er von dem harmlosen Reisenden zu einem Teil des Unwetters, wurde er hineingezogen in den Sog der Naturgewalten. Ohne Möglichkeit zu entrinnen. Ein gleißender Blitz schien das steinerne Kreuz geradezu zu versengen. Alois wieherte erschrocken und stieg vor Panik auf die Hinterhufe. Bevor Philip wusste, wie ihm geschah, rutschte er vom Sattel. Für einen Augenblick noch hatte er das Gefühl, als Zuschauer neben sich zu stehen und seinen Sturz aus sicherer Perspektive zu beobachten. Doch dann prallte er mit einem harten Ruck auf dem Boden auf und verlor das Bewusstsein.

~ 16 ~
    D er Regen lief ihr in Bächen übers ganze Gesicht, als Xelia sich zu dem Verunglückten hinabbeugte. War er tot? Ein lautes Donnergrollen erscholl just in dem Moment, und im Licht des darauf folgenden Blitzes wirkten die Wangen des Mannes leichenblass. Genau an derselben Stelle war Samuel gestorben, und einen fürchterlichen Augenblick lang glaubte sie, wieder einen Toten vor sich zu haben. Sie zitterte am ganzen Leib, aber das lag nicht an den herabprasselnden Wasserfluten. Was sollte sie nur tun?
    Seine Hilferufe hatten sie geweckt. Es hatte eine Weile gedauert, bis ihr klar war, dass sie nicht geträumt hatte, sondern dass die Schreie echt waren, draußen im Wald. Dennoch hatte sie gezögert. Vielleicht wollte ihr jemand eine Falle stellen? Erst als die Schreie schwächer geworden waren, gelangte sie zu der Überzeugung, dass wirklich ein Mensch Hilfe brauchte. Vorsichtig hatte sie sich von Baum zu Baum gepirscht, immer in Deckung und immer am Waldrand entlang. Nur keinen Schritt auf die Straße tun! Endlich, als sie fast schon wieder zur Höhle umkehren wollte, hatte sie zuerst das Pferd, dann den Gestürzten erblickt und tausend Flüche auf einmal ausgestoßen.
    Sie kniete neben ihm nieder und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Er war schwer und wankte ohne eigenen Willen hin und her. Sie klopfte ihm abwechselnd auf die linke und die rechte Wange. Keine Regung. Aber er lebte! Das Pochen der Ader auf seiner linken Halsseite war so deutlich zu erkennen, dass sie nicht einmal mit der Hand nach seinem Herzschlag fühlen musste.
    Xelia schaute sich um. Kein Mensch weit und breit. Was sollte sie nur mit ihm machen?
    Am liebsten hätte sie vor Verzweiflung geheult, aber was hätte ihr das genutzt? Nein, sie musste nachdenken, und zwar vernünftig. Sie schluchzte nur einmal laut auf und wischte sich dann resolut die salzigen Bäche aus dem Gesicht.
    Ihn aufs Pferd zu hieven schaffte sie nicht. Der Mann war zwar nicht beleibt, aber auch nicht gerade schwächlich. Dafür hatten aber ihre eigenen Kräfte in den letzten Wochen erheblich nachgelassen.
    Das Pferd! Wo war es überhaupt? Mit zusammengekniffenen Augen suchte Xelia die verregnete Dunkelheit nach ihm ab. Dann sah sie Alois unter einer Tanne stehen, an deren Rinde er gelangweilt herumkaute. Still schickte sie einen Fluch in seine Richtung – hätte es nicht gescheut und seinen Reiter abgeworfen, hätte sie jetzt nicht ein zusätzliches Problem! Unsanft legte sie den Kopf des Fremden auf dem Boden ab, doch nicht einmal dieser Rumpler weckte ihn aus seiner Ohnmacht. Sie würde das Vieh herholen und dem Mann die Zügel in die Hand geben, damit er beim Aufwachen gleich aufsteigen konnte. Wütend auf sich und wütend auf den Fremden, starrte sie ihn an. Da erst fiel ihr auf, dass sein rechtes Bein seltsam verdreht war. Nicht das! Das durfte nicht sein! Im gleichen Moment wusste sie, dass ihre Vermutung zutraf. Das Bein war gebrochen. Damit konnte sie ihn auf keinen Fall hier liegen lassen. Aber mitnehmen kam auch nicht in Frage.
    Nein, sie musste eine andere Lösung finden.

~ 17 ~
    A ls Philip aufwachte, war es rabenschwarz um ihn herum. Hatte er seine Augen noch geschlossen? Nein, sie brannten zwar ein wenig, waren aber offen. Warum schien es ihm dann so dunkel? Kein Licht, kein Schatten, nicht der Hauch von Helligkeit war zu sehen. Wo war er? Was war geschehen? Er konnte sich an nichts erinnern, und das ängstigte ihn. Er spürte, wie sein Puls schneller wurde. Wo war Alois? Und wo seine ganzen Sachen? Er versuchte, sich aufzusetzen, als ein unsäglicher Schmerz durch sein rechtes Bein fuhr. Dagegen ankämpfend, hielt Philip die Luft an. Dann wurde er wieder

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