Die Liebe des Kartographen: Roman
doch das Lachen erreichte seine Augen nicht. Auch hatte seinScherz für Philips Ohren etwas Krampfhaftes an sich, so, als wolle der Mann ihn damit überrumpeln.
Auf einmal war es ganz still geworden, und alle hatten auf Philips Antwort gewartet. Während seine Panik immer gröÃer wurde, brannte Xelias angstvoller Blick Löcher in seinen Rücken.
Und dann war Tassilo dazwischengetreten, hatte einen Arm um Xelia gelegt und zu Mischa gesagt: »Das kommt davon, wenn man seinen Wein nicht verträgt und die halbe Nacht verschläft! Simone Hauber heiÃt sie, und der Herr Beamte begleitet sie im Namen des Herzogs nach Stuttgart, wo sie zu Hofe ihre Heilkünste anwenden soll! Das hast du wohl nicht mehr mitbekommen.« Heftiges Schulterklopfen. »Das habâ ich gleich gewusst, dass du keine gewöhnliche Heilerin bist!«, lobte er Xelia, deren groÃe Augen Bände sprachen. Herausfordernd hatte Tassilo in die Runde geschaut, als wollte er sagen: Los! Traut sich einer, mein Wort anzuzweifeln!
Philip war der Mund offen stehen geblieben. Kein Wort, kein einziges Wort hatte er zu Tassilo gesagt! Das bedeutete, dass dem längst klar gewesen war, wen er vor sich hatte. Und dass er aus Dankbarkeit offenbar beschlossen hatte, Xelia zu schützen.
Ganz mochte Philip ihm allerdings immer noch nicht trauen. Und auÃerdem war er verärgert, dass ihm selbst nicht eine so glaubhafte Geschichte eingefallen war!
Schweigend marschierten sie weiter. Der Boden knirschte unter ihren FüÃen, war aber längst nicht so glatt wie am Vortag, und so kamen sie ganz ordentlich voran.
»Was für ein Mensch ist dieser Hyronimus eigentlich?«, fragte Xelia plötzlich ins Blaue hinein. Als Philip nicht gleich antwortete, hängte sie eine weitere Frage an: »Und wie sieht er aus?«
»Wie er aussieht? Mhh.« Das hatte Philip sich noch gar nicht vor Augen geführt, aber diese Frage war irgendwiebezeichnend für Xelia. Sie war ein Mensch, der alle Einzelheiten von Menschen wie Dingen wahrnahm, während er sich bisher immer mit einem überfliegenden Blick zufrieden gegeben hatte.
Er zwang sich, endlich die Gedanken an die Spielleute zu vergessen und ihr eine zufriedenstellende Antwort zu geben. »Er ist nicht sehr groÃ, eigentlich ist er für einen Mann sogar recht klein. Aber wenn man ihm gegenübersteht, fällt das gar nicht auf. Er ⦠hat so eine Art innere GröÃe. Es ist, als ob â¦Â« Gerade noch rechtzeitig ertappte er sich dabei, ausschweifend zu werden. »Ja, und dann hat er dichte krause Haare und Augen, die genauso streng wie fröhlich daherschauen können. Aber, ehrlich gesagt ist er kein Mann, dem Frauenzimmer wegen seines Aussehens nachlaufen.«
»Aber nachlaufen tun die Weiber ihm trotzdem, wie?«
Philip musste lachen. »Mit diesen Augen habe ich meinen Lehrherren weià Gott noch nicht betrachtet! Aber bitte schön, warum eigentlich nicht?«
»Und mit welchen Augen hast du ihn dann betrachtet?« Leichte Ungeduld schwang in Xelias Stimme mit.
Philip warf ihr einen Blick zu. Doch sie hatte nur Augen für den Hund, der an ihrer Schulter eingeschlafen war. Er versuchte, sich an Adalbert Hyronimus zu erinnern. An seine Stimme, die polterte, wenn er wütend war, und ansonsten so friedlich war wie Lämmerblöken. An sein Lachen, wenn ihm ein Scherz gelungen war. An seine Verbissenheit, wenn sich die Lösung einer Aufgabe nicht wie erwartet gestaltete. »Wie gesagt, er lehrte an der Tübinger Universität alles, was mit der Kunst der Kartographie zusammenhängt, und nicht nur das.« Philip lachte. »Er gab sich nie mit dem zufrieden, was war, sondern strebte immer nach Verbesserungen. Das hat ihn in meinen Augen zu jemand Besonderem gemacht. Während andere Lehrer die Nächte bei Wein und Gesang durchfeierten, konntest du Hyronimus mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hintereinem Berg Büchern antreffen, die er als Vorbereitung für seinen weiteren Unterricht sichtete.« Philip lachte auf. »Was seine Arbeit anging, war er ein Besessener!«
»Dann hattet ihr also einiges gemeinsam«, kam es etwas trocken von Xelia, und Philip hatte kurz den Eindruck, es fehle ihr an jeglichem Verständnis.
»Ja und nein.« Das Zurückdenken fiel ihm plötzlich gar nicht mehr so leicht. »Ich glaube, ich war wohl sein bester Schüler, jedenfalls hat er mir dies oft zu verstehen
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