Die Liebe des Kartographen: Roman
»Das war nicht so geplant. Wir wollten längst in Osterreich sein, wo wir jedes Jahr unser Winterquartier aufschlagen. Aber Ellen â¦Â« Mit dem Kinn wies er in ihre Richtung.
»Tassilo wolltâ sie nicht überanstrengen, in dem Zustand«, antwortete sein Nebenmann, und Philip glaubte, einen leichten Vorwurf darin zu hören.
»Und? Passt dir das etwa nicht?«, kam es sofort von Tassilo zurück. Seine Nase blähte sich dabei auf, als habe er einen unangenehmen Geruch einatmen müssen. Der Mann war ein einziger Muskelberg, so klein er auch war, stellte Philip erstaunt fest. Er wollte sich jedenfalls nicht mit ihm anlegen, und dem andern schien es genauso zu gehen. Jedenfalls hob dieser besänftigend die Hände und sagte nichts mehr.
»Ich habâ euch in Rüdling gesehen!« Philip beschloss, in den offenen Angriff zu gehen. »Also, ehrlich gesagt, eure Posse fand ich doch recht seltsam â¦Â« Er hielt die Luft an. Wie würden die Männer darauf reagieren?
Tassilo und die beiden andern schauten sich an und grinsten. Auf einmal prusteten alle drei los.
Entgeistert starrte Philip sie an. Eingeschnappt schienen sie nicht zu sein, aber hatten sie dafür den Verstand verloren?
Irgendwie hatte seine Bemerkung die angstvolle Spannung gelöst, die allen auf der Schulter gesessen hatte. »Das kannst du nicht verstehen. Also, es ist so â¦Â«, begann Tassilo in bester Erzählermanier. »Wir hatten in der letzten Zeit nicht sehr viel Glück. Die Posse mit der Gerberstochter ist so etwas wie eine ⦠Notlösung.«
Daraufhin lachte der andere wieder los. »So kann man das auch nennen. Ich würde sagen, das Unglück verfolgt uns auf Schritt und Tritt! Ich heiÃe übrigens Gabor.« Er gab Philip die Hand, dann zählte er an seinen Fingernauf-. »Erst verreckt unser Tanzbär. Dann wurden unsere Tiermasken gestohlen, alle miteinander, und wir wissen bis heute nicht, wieâs geschehen ist.«
»Wenn wirâs wüssten, täten wir dem Dieb jeden einzelnen Knochen brechen!«, sagte Tassilo, der in der Gruppe anscheinend das Sagen hatte. »Das Maskenspiel brachte immer das meiste ein!«
»Das war noch nicht alles! Gott behüte!«, kam es von Gabor. »Dann sind wir noch um den gesamten Lohn für einen langen Abend betrogen worden.«
»Wie denn das?«, fühlte sich Philip verpflichtet nachzuhaken. »Ihr geht doch am Ende eurer Vorstellung mit dem Hut herum, habe ich in Rüdling gesehen.«
Tassilo und Gabor schauten sich an. Plötzlich waren sie wieder ein Herz und eine Seele. Tassilo beugte sich vor. »In Blaubeuren istâs gewesen. Im Anwesen des Stadtarztes.«
Gabor spuckte vor sich auf den Boden. »Eine feine Gesellschaft hatte der eingeladen! Mindestens dreiÃig Zuschauer hatten wir, und prächtig amüsiert haben die sich. Doch als es ans Bezahlen ging, da warâs aus mit der Freude!«
»Da schrie doch einer von denen, sein Geldsack sei weg und dass er wohl gestohlen wurde. Und alle haben uns angestarrt. Keine fünf Minuten später haben sie uns aus dem Hof gejagt!«
»War alles abgesprochen, das kannst du mir glauben«, presste Tassilo aus zusammengekniffenen Lippen hervor. »Dieses Schwein wollte uns von Anfang an um unsere Zeche prellen!«
»Und habâ ich nicht gleich gesagt, dass mir nicht wohl dabei ist, für den Halsabschneider den Hofnarren zu spielen?«
»Ach, halt dochâs Maul!«, gab Tassilo zurück. Aus Ellens Wagen waren nun wieder lautere Schreie zu hören. Nervös ballte er die Hände zu Fäusten, als wolle er damit jegliches Unglück von seinem Weib abhalten.
»Wer bist du eigentlich? Und was machst du hier droben auf der Alb?«, warf der dritte Mann ein, der bisher nur still daneben gesessen hatte. Seine Augen wanderten unruhig zwischen Gabor und Tassilo hin und her, als befürchte er im nächsten Augenblick einen handfesten Streit.
Philip verfluchte den Mann und sein Ablenkungsmanöver. Er bemühte sich um ein Lachen. »Das ist eine lange Geschichte, und ich glaube, keine besonders aufregende â¦Â« Was um alles in der Welt sollte er ihnen nur erzählen? Er nestelte seinen herzöglichen Passierschein aus seiner Jackentasche. »Ich bin Beamter â¦Â« Mit Beamten hatten Wandersleutâ meist nicht viel am Hut, vielleicht würde diese Auskunft ihm weitere
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