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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gegeben. Auf der anderen Seite hatte ich immer das Gefühl, Hyronimus’ Ansprüchen nie ganz gerecht zu werden. Irgendwie muss ich ihn enttäuscht haben.« Was sagte er da? Der Gedanke war nicht nur fremd, sondern auch erschreckend!
    Xelia warf ihm einen skeptischen Blick zu, was ihn nicht sehr verwunderte.
    Â»Aber wieso denn? Wo du doch nichts anderes im Sinn hattest, als Karten zu malen?«
    Hörte er wieder einen spöttischen Unterton, oder wurde er etwa empfindlich wie eine Mimose? »Vielleicht war es gerade das.« Der Gedanke kam ihm ebenso plötzlich wie seine vorige Erkenntnis. »Immer wieder hat er versucht, mein Interesse für die großen Dichter und Denker zu wecken. Aber ich habe nur abgewinkt. Melanchthon, Erasmus von Rotterdam, Luther – natürlich waren das große Männer! Aber was hätte ich von ihnen lernen sollen, wo sie sich doch mit allem Möglichen, nur nicht mit der Kartographie beschäftigt haben!« Er hielt inne, und Alois lief mit einem Ruck gegen den Zügel.
    Â»Und dann war da noch etwas, was mich störte: Ein Querulant ist Adalbert nämlich auch!« Nun hörte Philip sich an wie ein trotziges Kind, und er sprach eilig weiter, in einem – wie er hoffte – souveräneren Ton: »Vielleicht hat ihn inzwischen das Alter milde und weise gestimmt, aber in Tübingen, da hat er sich in alles einmischen müssen! Und dann sein … übersteigerter Sinn für Gerechtigkeit – ach,ich möchte gar nicht daran denken, in welche unmöglichen Gespräche und Situationen er uns Studenten manchmal verwickelt hat!«
    Â»Das hört sich interessant an, erzähl doch mal!«
    Philip verzog seinen Mund. »Ja, ja, das willst du wissen … In dieser Hinsicht bist du Hyronimus ganz schön ähnlich. Aber fass das ja nicht als Lob auf?« Er gab Xelia einen kleinen Klaps auf die Schulter, woraufhin der Hund ihn sofort mit großen Augen anschaute. »Also gut. Da gab es beispielsweise einen Lehrer, der nur jenen Studenten zugetan war, deren Eltern nicht nur adelig, sondern auch reich waren. Wir bürgerlichen Söhne lagen Franz Friedmann, so hieß er, nicht gerade am Herzen, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn er bei seinen Beurteilungen nicht zweierlei Maß angelegt hätte! Mir selbst konnte er damit nie etwas anhaben, dazu war ich einfach zu gut. Aber bei den eher durchschnittlich Begabten wurden die reichen Söhne immer unendlich viel besser bewertet. Ihnen gab Friedmann vor Lob glühende Beurteilungen mit auf den Weg, und die andern hatten das Nachsehen.« Plötzlich fühlte Philip ein Körnchen Wut in sich aufkeimen. Damals in Tübingen war ihm die Sache ziemlich gleich gewesen …
    Â»Und Hyronimus? Was hatte das mit ihm zu tun?«
    Â»Jemand muss Hyronimus von den ungerechten Bewertungen Friedmanns berichtet haben. Da er jedoch keine Beweise für dessen Vorgehen hatte, wollte er seinen Kollegen nicht einfach anschuldigen. Stattdessen forderte er uns Studenten auf, Friedmann gemeinsam zur Rede zu stellen.«
    Â»Und? Habt ihr das getan?«
    Â»Ja, aber erst nach langem Hin und Her.« Philip mochte gar nicht mehr daran denken, zu welchem Skandal sich die Angelegenheit entwickelt hatte! »Auf einmal wurden immer mehr Schlampereien Friedmanns aufgedeckt. Von einigen Eltern hatte er hohe Summen Geld verlangt, damiter ihre Söhne bevorzugte. Von den weniger Reichen soll er andere Dienste eingefordert haben …« Daran wollte Philip bis heute nicht glauben – zu schauerlich war ihm die Vorstellung, dass Friedmann einen der Jungen … »Jedenfalls wurde Friedmann am Ende im hohen Bogen von der Universität geworfen!«
    Â»Aber dann hat es sich doch gelohnt, etwas zu unternehmen, oder?«
    Â»Schon, aber …« Plötzlich wurde Philip das ganze Thema zu vertrackt. Abrupt schweifte er ab.
    Â»Dass Hyronimus sich der Kartographie abgewandt und einem Studium der Medizin zugewandt hat, verwundert mich heute eigentlich nicht mehr. Zur damaligen Zeit konnte ich es nicht verstehen, in meinen Augen war er so etwas wie ein Abtrünniger. Ich habe es natürlich nicht gewagt, ihm gegenüber so etwas zu äußern, ganz davon abgesehen, dass ich dazu gar keine Möglichkeit mehr hatte. Denn Adalberts Abschied von Tübingen kam für mich recht überraschend. Eines schönen Tages war er einfach weg.

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