Die Liebe des Kartographen: Roman
grüner Froschlaich. Was â¦
»Lass gut sein, Anton!«, fuhr Marlene dazwischen und bog die jämmerlichen Ãberreste der Hände des Mannes mit einem Griff auf. »Barbara ist heutâ nicht zum Scherzen zumute, wie oft soll ich das noch sagen?« Sie nickte Xelia zu. »Geh nach unten und warte dort auf mich. Den Rest besorgâ ich auch allein.« Ihre Stimme erlaubte keinen Widerspruch, weder von Xelia noch von sonst jemandem.
In keinem der nächsten Häuser sah es besser aus.
Es war heller Tag, als sie endlich das Waschhaus erreichten. Und Xelia hatte das Gefühl, um hundert Jahre älter geworden zu sein.
Die kalte Witterung schien die Kranken nicht von ihrem Bad abzuhalten, ganz im Gegenteil. Xelia konnte es ihnen nicht verdenken-wo doch der nächste Badetag erst in vierWochen stattfand! Geduldig warteten sie, bis sie an die Reihe kamen. Der Scherzbold von zuvor war nicht dabei, und Xelia atmete erleichtert auf. Wer nicht so lange stehen konnte, setzte sich auf den blanken Erdboden. Zwei Kranke â ein alter Mann und eine gar nicht so alte Frau â wurden auf hölzernen Karren herangefahren. Erst später sah Xelia, dass beide keine Beine mehr hatten.
Saà ein Kranker erst einmal im Bottich, schrubbte Marlene ihn mit einer Bürste von oben bis unten ab, wobei sie je nach seinem Zustand behutsam oder forsch vorging. Dass ihre Tochter nicht half, läge an deren Erkältung, erklärte sie jedem, der sie danach fragte. Die wenigsten fragten. Es wurde überhaupt wenig geredet.
Das Badewasser wurde nur nach jedem zehnten Badenden gewechselt, doch das schien niemanden zu stören. Xelia glaubte, schon allein von dem Geruch der braunen Brühe krank zu werden! Beharrlich rief sie sich Eulalias Worte ins Gedächtnis, doch als es daran ging, mit Eimern das kalt gewordene und schmutzige Wasser auszuschütten, musste Marlene ihr kräftig ins Kreuz stoÃen, bis sie endlich ihre Hände eintauchte. Und wenn ihre Mutter doch nicht recht gehabt hatte? Wenn sie sich nun doch ansteckte? Sie wollte nicht krank werden! Sie wollte keine Finger verlieren, wollte ihre Nase behalten, und eine Haut, knorrig wie Baumrinde, wollte sie auch nicht haben. Sie war doch noch jung! Und vor allem: Sie wollte nicht weggesperrt werden wie die armen Seelen hier! Sie hörte sich wimmern. Verdammt, sie sollte sich zusammenreiÃen!
Zweimal musste sie nach drauÃen vor die Tür treten, um nach Luft zu schnappen. Sie schämte sich für ihre Zimperlichkeit. Ihr Bedauern, ihr Mitleid hatten die Aussätzigen verdient und nicht ihr Grausen! Wo sie doch nichts für ihr armseliges Schicksal konnten.
Ãberhaupt waren die Leute so freundlich und geduldig, dass es Xelia fast zu viel wurde. Marlene wurde von ihnen behandelt wie eine Heilige, ihr dankten sie für jeden nochso kleinen Handgriff. Zugegeben, die Waschfrau mühte sich und tat ihr Bestes und hatte für jeden ein paar freundliche Worte übrig. Aber sollte das nicht normal sein? Unmut flammte in Xelia auf. Die Spitalinsassen hatten etwas von den Hunden des Markgrafen an sich, deren Bild plötzlich vor ihren Augen auftauchte: Zusammengepfercht in ihrem viel zu kleinen Verschlag, standen die Hunde knöchelhoch im eigenen Mist. Kaum sahen sie den Markgrafen, duckten sie sich, weil sie jederzeit mit Schlägen rechneten, nie aber mit einem guten Wort. Kam dieses doch einmal, legten sie sich unterwürfig auf den Rücken, denn die nächste Bestrafung folgte bestimmt. Warum, so fragte sich Xelia, führten sich die armen Menschen hier ähnlich auf? Warum linste immer wieder einer von ihnen durch einen Türspalt nach drauÃen? Und warum war das Aufatmen der anderen fast hörbar, wenn der Späher kopfschüttelnd wieder hereinkam? Wovor hatten sie Angst? Das Spital war doch kein Kerker, und eine Folterkammer war es auch nicht! Sie waren doch nur krank und weder verbrecherisch noch arm im Geiste?
Ãberhaupt: Warum lebten sie hier in solcher Armut? Aus den Gesprächen hatte Xelia herausgehört, dass es sich bei den Aussätzigen beileibe nicht nur um Besitzlose handelte, ganz im Gegenteil! Ein Bäcker und sein Weib waren darunter, ein ehemaliger Schmied und ein Kaufmann. Wovon die andern gelebt hatten, bevor die Krankheit sie erwischt hatte, wusste Xelia nicht. Sicher waren auch ein paar arme Schlucker dabei, aber alle hatten weià Gott nicht am Hungertuch genagt! Was war also
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