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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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bricht, so schadet auch dir dein wunder Rücken nicht.«
    Zweimal noch wiederholte sie die Worte, dabei strich sie in einem gleichförmigen Muster über Marlenes Rücken. Danach sackte sie zusammen wie ein Blasebalg, der keine Luft mehr hatte.
    Keiner sprach ein Wort. Beeindruckt, fast schon verzückt saßen die Bauersleute da, während Xelia wieder am Tisch Platz nahm. Was die Aussicht auf Xelias Arzneimittel nicht vermocht hatte, war ihrem Spruch gelungen: Als ob die Worte schon Wirkung zeigten, richtete Marlene sich auf. Sie hatte bekommen, was sie sich so sehnlich gewünscht hatte.
    Xelia wischte sich Schweiß aus dem Gesicht, wie nach schwerer Anstrengung. Erst als sie geräuschvoll einen Schluck Wein aus ihrem Becher nahm, war der Bann gebrochen. Auf einmal redeten alle durcheinander, lachten, scherzten.
    Nur Philip blieb stumm sitzen. Er konnte das, was er eben erlebt hatte, nicht einordnen. War es wirklich nur Hokuspokus gewesen? Er war sich nicht sicher.
    Ihr Plan war ganz einfach: Schon am nächsten Tag sollte Xelia anstelle von Barbara mit Marlene Steinbrenner ins Spital gehen. Da die Waschfrauen stets von Kopf bis Fußvermummt waren, musste Xelia lediglich den Mund halten, um nicht als Fremde entlarvt zu werden. Dies sei möglich, wenn man »Barbaras« Schweigsamkeit mit Halsweh erklärte, hatte Marlene zögernd gemeint. Dass ihr nicht wohl war bei dem Gedanken, war ihr anzusehen.
    Philip konnte es ihr nicht verdenken.
    Kaum brachte Philip ein wenig Zuversicht zustande und stellte sich vor, wie Hyronimus unter schmutzigen Laken aus dem Spital geschmuggelt wurde, stürzten andere Bilder auf ihn ein. Schlimme, hoffnungslose Bilder, weil wutentbrannte, vom Aussatz entstellte Fratzen auf Xelia losgingen, ihr den Schleier vom Kopf rissen, sie … Er stöhnte laut auf, und die Blicke der andern waren ihm gleich.
    Zu viel konnte schief gehen. Er schaute zu Xelia hinüber und bemerkte die Entschlossenheit in ihren Augen. Eine silberne Haarsträhne klebte an ihrer Oberlippe und verlieh ihrem Gesicht einen kindlichen Ausdruck. Seine Kehle wurde eng. Sie war noch so jung! So verletzlich! Und doch so mutig. Hyronimus wäre es sicher ganz und gar nicht recht, dass Philip um seinetwillen ein Mädchen in Lebensgefahr brachte.
    Während Xelia unter den erwartungsvollen Blicken von Barbara und ihrem Vater Marlenes Rücken abtastete, in ihren Kräutervorräten kramte und schließlich die Zutaten für eine Salbe bereitstellte, kreiste Philips Verstand nur noch um einen Gedanken:
    Er musste verhindern, dass Xelia ins Spital ging!

~ 40 ~
    E s war noch dunkel, als sie aufbrachen. Zwei von oben bis unten vermummte Gestalten, die durch ein Meer von Kälte und Feuchtigkeit wateten. Nebeltropfen verfingen sich im dichten Gewebe ihrer langen Umhänge, von unten durchfeuchtete Neuschnee ihre Schuhsohlen.
    Am frühen Morgen schien Marlene Steinbrenner bei weitem nicht so gesprächig zu sein wie zu anderen Tageszeiten, nur hin und wieder kam ein Schnaufer von ihr. Der randvoll mit feuchter, aber sauberer Wäsche beladene Wagen ackerte schwer und mühevoll voran, das Quietschen seines rechten Vorderrades war das einzige Geräusch, das die Stille des Morgens unterbrach. Bald standen Xelia kleine Schweißperlen auf der Stirn. Trotzdem fröstelte es sie. Sie musste an den schlaftrunkenen Welpen denken, der warm und wohlig an Alois’ Bauch geschmiegt war und nur müde geblinzelt hatte, als sie aufgestanden war.
    Die halbe Nacht lang hatte Philip versucht, ihr das heutige Vorhaben auszureden, und mehr als einmal war sie nahe daran gewesen nachzugeben. Ihr war auch nicht wohl bei dem Gedanken, was in den nächsten Stunden auf sie zukommen würde. Aber wenn sie sich ein Leben lang ihre Feigheit vorwerfen müsste, wäre ihr noch viel unwohler! Sollte sie einfach so tun, als hätte sie nie etwas von Hyronimus gehört? Sollte sie ihre Zweifel begraben, ihre Sorge um den Mann zertreten wie einen Wurm? Vergeblich hatte sie versucht, Philip klarzumachen, dass sie das nicht konnte. Als er ihr vorwarf, dass sie einen Wildfremden wichtiger nahm als seine Ratschläge, war das wie eine Ohrfeige mitten ins Gesicht gewesen. Wie konnte er so etwas sagen? Am Ende hatte er sich beleidigt weggedreht, und diesmal hatte sie nichts dagegen unternommen.
    Langsam lichtete sich der Nebel. Dahinter tauchte eine schwarze Wand auf, und Xelia blieb vor Schrecken

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