Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Auch ein wenig Aroma von Weihrauch ist dabei. Hier, riech doch mal.«
    Vitus nahm das Fläschchen, roch an dem Duftwasser und versuchte vergeblich, die Wahrnehmungen Ninas nachzuempfinden. Schließlich gab er es auf. »Ein wenig nach Holz mag es riechen, sehr angenehm insgesamt, aber ansonsten bemerke ich nichts. Ihr Frauen habt nun einmal die besseren Nasen.«
    »Da hast du sicher recht. Danke, Liebster.« Nina, die schon ein paar Tropfen des außergewöhnlichen Wassers an ihren Hals getupft hatte, küsste Vitus. »Ich bin so glücklich, dass du wieder da bist.«
    »Ich auch«, sagte er.
     
     
     
    Nella ging mit geschwinden Schritten hinunter und in den linken Flügel des Schlosses, wo sich die Küche befand. Sie freute sich auf ihren Vater, den sie liebevoll »Altlatz« nannte, auch wenn dieser klein, bucklig und hässlich war. Für sie war er es nicht. Sie kannte ihn, solange sie denken konnte, und sein Aussehen war für sie ganz normal. Wo andere ein Mondgesicht sahen, sah sie ein rundes Antlitz, sein Fischmündchen galt ihr als Quell fröhlicher Gedanken, und die »Kriegskasse«, wie manche seinen Buckel nannten, war für sie nicht mehr als eine Ausbuchtung im Rücken.
    Sie wusste, dass er nicht ihr leiblicher Vater war und sie als Säugling an Kindes statt angenommen hatte, aber sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht. Auch nicht über ihre Mutter, von der gesagt wurde, sie sei eine Bürstenbinderin gewesen und habe den Zwerg in Oberitalien während einer Pestepidemie kennengelernt.
    Ja, sie freute sich auf ihren Altlatz, auch wenn er sicher gerade von Mrs.Melroses Liebe erdrückt wurde.
    Doch als sie die Küche betrat, erlebte sie eine angenehme Überraschung. Der Zwerg saß allein am großen Esstisch des Gesindes und hatte Berge von Köstlichkeiten vor sich, denen er kräftig zusprach. Er kehrte ihr den Rücken zu, weshalb er sie noch nicht bemerkt hatte. Nella ging auf Zehenspitzen zu ihm hin und hielt ihm von hinten die Augen zu.
    »Rate mal, wer hier ist, Altlatz!«
    »Wiewo, was tarrt das zinken?« Der Winzling hörte auf zu essen. ’s is das Nella-Kind, wie’s scheint, bist du’s, mein Spätzchen?«
    »Ja, Altlatz.« Nella nahm die Hände von den Augen des Zwergs und schmiegte ihr Gesicht an das seine. Gleichzeitig umfasste sie ihn von hinten und drückte heftig zu.
    »Uiii, du knautschst mich, dass die Krächlinge kratschen!«
    »Du sollst doch nicht immer so blöd sprechen, Altlatz.« Nella küsste ihn auf die Wange. »Sprich richtig, das hast du mir versprochen.«
    »Wui, wenn das so fiederich, äh, leicht wär, mein Spätzchen.«
    Sie ging um den Stuhl herum, und weil sie zu schwer und zu groß für ihn war, setzte sie sich nicht auf seinen Schoß, sondern machte es umgekehrt. Sie hob ihn sich auf die Knie. Dann sagte sie: »Erzähl, wie war’s?«
    »Wui, mein Spätzchen, ’s war nich ungefährlich, die span’sche Flotte is riesengroß, wir ham sie gesehn un wissen nu Bescheid. Sin ihr grad noch von der Schippe gesprungen, hatten uns schon am Wickel, die Dons, aber Taggart, der Kaptein, un dein Onkel Vitus ham’s gerichtet. ’n paar Köpfe sin gerollt, un ’s Bein vom Kaptein is auch ab, aber’s braucht dich nich anfechten, nee, das braucht es nich, mein Spätzchen. Sin wieder gut gelandet, ’s is die Hauptsache.«
    »Hast du mir was mitgebracht, Altlatz?«
    »Wiewo, das willst wohl wissen?«
    »Wehe nicht!« Nella deutete ein Spreizen der Knie an, so dass der Zwerg zu fallen drohte.
    »Bist kess, wie?«
    »Hast du oder hast du nicht?«
    »Aber gewisslich doch. Auf deinen Altlatz is Verlass.« Der Zwerg stülpte das Mündchen vor, fasste in seine Gürteltasche und holte ein Päckchen heraus. »Prassel’s auf.«
    Nella entfernte die Einwicklung, was nicht so einfach war, da sie den Zwerg gleichzeitig auf ihren Knien balancieren musste, und stieß einen freudigen Ruf aus: »Ein Fläschchen, wie niedlich!«
    »’s is auch was drin.« Er deutete auf die zartgelbe Flüssigkeit.
    »Danke, Altlatz!« Nella küsste ihn und nahm den Glasverschluss ab.
    »Musst mal dran schnausen!«
    Nella schnupperte und sagte: »Das riecht nach Holz … irgendwie scharf nach Gewürzen, aber auch gut … und kühl, vielleicht etwas nach Moos … aber am meisten riecht es nach Holz. Wo hast du es her?«
    »’s is aus ’nem gläsernen Berg hinter dem gläsernen Mond, mein Spätzchen. Der Berg is so hoch wie drei mal dreißig Männer, un die Quelle, aus der ich’s rausgeschöpft hab, is tiefer als der

Weitere Kostenlose Bücher