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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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die Freitreppe heruntergelaufen kam und sich in Reih und Glied aufstellte. Ganz links hatte sich als eine der Ersten Mrs.Melrose postiert, die immer wieder die Hände rang und rief: »Mylord sind zurück! Ach, Gott, Mylord sind zurück! Was koche ich nur? Ich habe ja gar nichts vorbereitet. Habe nur ein paar eingelegte Heringe und drei Fasane. Kein Braten, kein Wildbret, keine frisch gepflückten Pilze, keine Pastete, nichts! Nicht einmal meinen berühmten Mandelkäse. Entschuldigt, Mylord, ich muss sofort zurück in die Küche! Mary, Molly und ihr anderen Mägde, folgt mir!«
    Doch bevor sie, so schnell es ihr Gewicht erlaubte, die Freitreppe wieder emporwatschelte, winkte sie dem Zwerg zu: »Mein kleiner Prinz, deine Catherine ist dir nicht böse, obwohl sie dir böse sein sollte, weil du ihr das letzte Stück Mandelkäse versalzen hast. Ja, ja, ich hab es wohl gemerkt! Nun komm. Komm mit in die Küche!«
    »Wui, wui, Frau Bratwachtel!« Die Einladung ließ der Zwerg sich nicht zweimal sagen. Er hüpfte hinter der Köchin her und war im Nu verschwunden.
    Auch Catfield verabschiedete sich fürs Erste, allerdings nicht, ohne angeboten zu haben, Mylord jederzeit auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Keith und Watty folgten ihm, sie hatten noch mehrere Ställe auszumisten, und auch die Gärtner und anderen Bediensteten gingen wieder an ihre Arbeit.
    Isabella stand da und wunderte sich. Für ihre Begriffe hatte das Personal ein unerhörtes Benehmen an den Tag gelegt. Sich einfach und ohne Erlaubnis wieder an die Arbeit zu begeben wäre in dem hochherrschaftlichen Haus, aus dem sie kam, niemals möglich gewesen. Seltsames England! Den Conde oder besser: Earl, wie man hierzulande sagte, störte das Gebaren anscheinend nicht weiter, denn er sagte zu Hartford: »Entlohne den Kutscher, und lass ihm etwas zu essen geben. Wir kommen schon allein zurecht.«
    »Aber Mylord, Euer Gepäck?«
    Vitus lachte. »Willst du dir meine Kiepe auf den Rücken schnallen, Hartford?«
    »Nun, äh …«
    »Siehst du.« Er nahm Isabella beim Arm. »Komm mit hinein.« Er führte sie in den rechten Flügel des Schlosses, wo die Besucherzimmer lagen, und zeigte ihr einen ganz mit roter Seidentapete ausgeschlagenen Raum, dessen hohe Fenster mit gelben Vorhängen ausgestattet waren. Er lächelte. »Wir nennen es wegen der Farben das Spanische Zimmer. Das Rot erinnert an das Kreuz der Kreuzfahrer und das Gelb an die Könige von Aragon. Vielleicht trägt die Kolorierung dazu bei, dass du dich hier wohl fühlst.«
    Sie lächelte. »Oh, das glaube ich bestimmt, Vitus.«
    »Tja dann …« Er wusste nicht, was er noch sagen sollte.
    »Wann lerne ich deine Frau und die Kinder kennen?«
    Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, denn er war keineswegs sicher, dass Nina ihn mit offenen Armen empfangen würde. »Nun, äh, zu gegebener Zeit. Richte dich derweil ein. Ich schicke dir ein Hausmädchen, dem du alle deine Wünsche nennen kannst. Sie werden, so es in meiner Macht steht, erfüllt werden.«
    »Danke, Vitus.« Sie lächelte noch immer.
    »Nun denn. Entschuldige, ich muss gehen.«
    Schnell verließ er den Raum.
     
     
     
    Kurz darauf betrat er den Kleinen Salon, denn er wusste, dass Nina und die Kinder sich zu dieser Tageszeit meistens darin aufhielten. Ein Gefühl der Enttäuschung beschlich ihn, weil sie ihm nicht wie alle anderen entgegengekommen waren, aber vielleicht hatte Nina ihn auch nicht gehört, denn sie saß wie so oft am Klavichord und spielte Melodien aus ihrer spanischen Heimat, eine Tätigkeit, bei der sie alles um sich herum vergaß.
    »Liebste, da bin ich!« Er breitete die Arme aus. »Hallo, Kinder, freut ihr euch, dass ich wieder da bin?«
    Odo und Carlos stürzten mit Geheul auf ihn zu, umtanzten ihn, zerrten an seinen Armen, umschlangen seine Knie und brüllten: »Papa ist gekommen!« – »Papa, Papa!« – »Hast du uns was mitgebracht?« – »Was hast du uns mitgebracht?« – »Sag schon, sag schon!«
    Lachend befreite sich Vitus. Er war froh, dass er auf dem Heimweg an Geschenke für die zwei gedacht hatte. »Später, Kinder, später!« Er hob die beiden Jungen nacheinander auf, schwenkte sie durch die Luft und küsste sie. »Lasst mich erst einmal eure Mutter begrüßen.«
    Nina war unterdessen aufgestanden und schritt auf ihn zu. Sie lächelte. Er sah, dass es ihr ruhiges Lächeln war, wie er es kannte und liebte. Kein Vorwurf war mehr darin zu erkennen. Ein starkes Glücksgefühl durchströmte ihn. »Hast du

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