Die Liebe des Wanderchirurgen
geschmuggelt hatte. Dass er mit ihr geschlafen hatte, erwähnte er natürlich nicht. Er endete, indem er sagte: »Sie ist neunzehn Jahre alt, von Adel und heißt Isabella del Pilar y Ribera.«
»Von Adel ist sie sogar? Richtig, die Familien Pilar und Ribera sind in Spanien bekannt. Sie tut mir sehr leid. Wo sie wohl jetzt ist? Wahrscheinlich versucht sie in irgendeinem heruntergewirtschafteten Gasthaus über die Runden zu kommen, bis dieser schreckliche Krieg vorbei ist. Wie gern würde ich wieder einmal mit einer Landsmännin in meiner Muttersprache reden! Hast du denn gar nichts für sie tun können, Liebster?«
»Doch, ich konnte etwas tun – und habe es auch getan.« Er jubelte innerlich, denn ohne es zu wissen, hatte sie ihm mit ihren Worten goldene Brücken gebaut. »Ich habe sie mit hierhergebracht.«
»Was?« Nina fuhr aus dem Bett hoch. »Und das sagst du erst jetzt? Das arme Ding! Wo steckt sie, was macht sie? Kümmert sich jemand um sie?«
»Beruhige dich, Liebste, du bist ja ganz aus dem Häuschen! Ich habe sie im Spanischen Zimmer untergebracht, weil ich dachte, sie würde sich dort am wohlsten fühlen. Wahrscheinlich schläft sie in diesem Moment, sie ist ja immer noch sehr schwach von den Strapazen, die sie durchgemacht hat.«
»Ach, Gott, die Arme!« Nina warf die Bettdecke zurück, stand auf und kleidete sich rasch wieder an. »Ich will sofort nach ihr sehen. Dass du mir das jetzt erst gesagt hast. Was muss die Kleine von mir denken, ich stehe da als eine schlechte Gastgeberin. Kommst du mit?«
»Natürlich«, sagte er froh. »Allein schon, um euch miteinander bekannt zu machen.«
»Liebste, das ist Señorita del Pilar y Ribera«, sagte er wenig später und deutete formvollendet auf Isabella, die sich den Kittel eines Hausmädchens übergeworfen hatte und demzufolge eher wie ein Mitglied des Gesindes wirkte als ein Adelsfräulein.
»Guten Tag, Mylady.« Isabella deutete einen Knicks an.
»Isabella, das ist Lady Nina, meine Frau.«
Nina ging auf Isabella zu und nahm sie in die Arme. Sie war die Ältere und Höhergestelltere, und dennoch wirkte sie im Vergleich zu Isabella zart. »Willkommen in Greenvale Castle«, sagte sie auf Spanisch. »Ich habe eben erst von Eurer Anwesenheit erfahren.« Sie drohte Vitus scherzhaft mit dem Finger. »Dieser Geheimniskrämer hat mir nichts gesagt. Aber nun seid Ihr da, und wir wollen alles tun, damit Ihr einen angenehmen Aufenthalt habt. Seid unser Gast, solange Ihr wollt, mindestens aber, bis dieser dumme Krieg zwischen unseren Ländern zu Ende ist. Nicht wahr, Liebster?«
»Gewiss, gewiss.«
Nina hakte sich bei Isabella unter und begann mit ihr auf und ab zu gehen. »Als Erstes müssen wir sehen, dass Ihr ein standesgemäßes Äußeres bekommt. Ich erwarte morgen meine Schneiderin. Sie ist eine Französin aus einem Vorort von Paris, Madame Pointille, sehr begabt, wenn auch nicht immer auf dem letzten Stand der Mode. Ich denke, wir sollten Euch zunächst einige Hauskleider und ein schönes Abendkleid für Bälle und andere Festivitäten anfertigen lassen.«
»Ihr seid sehr freundlich zu mir, Mylady.«
»Ich gehe dann jetzt«, sagte Vitus. Er spürte, dass er hier nicht mehr gebraucht wurde.
Drei Tage waren vergangen. Das Leben in Greenvale Castle hatte sich wieder weitgehend eingespielt, der Tagesablauf neu geordnet. Dazu gehörte, dass Isabella an allen wichtigen Mahlzeiten teilnahm, mit Ausnahme der Morgenspeise, die sie lieber im Bett einzunehmen pflegte. Ebenso hatte sich ergeben, dass die Speise ihr von Hartford, dem hochmütigen Diener, serviert wurde.
»Danke, Hartford«, sagte Isabella an diesem Dienstag. »Zwei gebratene Eier sind eines zu viel, ich habe es dir gestern schon gesagt.«
Hartfords hochmütige Miene bekam einen Knacks und kehrte sich um ins Beleidigte. »Äh, Verzeihung, Miss Isabella, ich hatte es nur gut gemeint. Pflegt man dort, wo Ihr zu Hause seid, morgens keine Eier zu essen?«
»Wir essen Eier und vieles mehr am Morgen. Die spanische Küche ist berühmt für ihre Köstlichkeiten.«
»Natürlich, natürlich.« Hartford goss von dem mit Äpfeln aromatisierten Wasser ein. »Sicher gibt es bei Euch auch wundervolle Weine, die Ihr schon zu früher Stunde zu trinken pflegt?«
Isabella, die gerade einen Bissen Ei und ein Stück weißen Brotes im Mund hatte, dachte: Du bist nicht nur hochmütig, alter Mann, du bist auch neugierig. Viel zu neugierig. Aber vielleicht können wir beizeiten ein Geschäft machen:
Weitere Kostenlose Bücher