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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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deine Neugier gegen meine Neugier. Wir werden sehen. Laut sagte sie: »Ich möchte jetzt nicht über spanische Weine sprechen, Hartford. Sei so gut und lass mich allein.«
    »Sehr wohl, Miss Isabella.«
    Hartford schürzte die Lippen und verschwand.
     
     
     
    Am darauffolgenden Sonntag fand wie immer der Gottesdienst in der Schlosskapelle statt, zu dessen Durchführung diesmal extra der schwergewichtige Reverend Pound aus Worthing angereist war. Danach machten Vitus und die Jungen einen Ritt über die Felder, wobei Vitus Telemach wieder einmal bewegte und Odo und Carlos zwei Zwergpferde von den Shetland-Inseln ritten. Catfield, der Verwalter, begleitete sie und informierte seinen Herrn bei dieser Gelegenheit über den Zustand und Reifegrad von Körnern, Früchten und Gemüse.
    In einigem Abstand hinter ihnen ritten Nina und Isabella, die sich angeregt unterhielten. Nina wies mit einer weit ausholenden Bewegung über die Wiesen und Felder und sagte: »Ich liebe das Land zu jeder Jahreszeit, liebe Isabella, denn jede Jahreszeit hat ihren Reiz. Im Sommer, wie jetzt, reift alles heran, die Arbeit des Pflügens und Säens mündet in Wachstum, überall steht das Getreide, und die Ähren wiegen sich im Wind; die Sonne scheint warm, es sind die längsten Tage im Jahr.«
    Isabellas Blick folgte der Handbewegung, doch was sie sah, erregte sie nicht sehr. Sie war ein Kind der Stadt. Dennoch bemühte sie sich, freundlich zu sein: »Ja, es ist eine wunderschöne Zeit.«
    »Im Herbst folgt die Ernte, das Schneiden und Dreschen des Korns, das Mahlen zu Mehl, das Erntedankfest. Im Winter ist die Zeit der Ruhe und der Reparaturen, alle Welt zieht sich ins Haus zurück, sitzt am Kamin, genießt besinnliche Weihnachtsstunden, während draußen die Kälte klirrt und der Frost alles im Griff hat. Im Frühling bricht die Erde auf, die Bäume schlagen aus, die Feldarbeit beginnt, und jedermann freut sich über die ersten wärmenden Sonnenstrahlen.« Nina blickte Isabella an. Die junge Spanierin hatte noch keine eigene Reitkleidung, weshalb Anne, die Frau Catfields, mit einer Garnitur hatte aushelfen müssen. Nichtsdestoweniger stand ihr die Übergangslösung, die hier und da mit einem Abnäher versehen worden war, ganz ausgezeichnet. »Sagt, Isabella, wie sind die Jahreszeiten bei Euch in Andalusien?«
    »Nicht so ausgeprägt, Mylady.« Isabella hatte sich noch nie Gedanken über die zeitlich bedingten Veränderungen in der südspanischen Natur gemacht, und sie interessierte sich auch nicht dafür. »In der Stadt merkt man nicht so viel davon.«
    »Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Ich liebe die Erdkrume in der Hand, den frischen Wind im Gesicht und den Duft von Wiesen und Wäldern in der Luft. Im Gegensatz zu Euch komme ich aus einfachen Verhältnissen. Mein Vater war ein Bauer und ist es bis heute. Ich habe acht Geschwister, die gottlob allesamt noch am Leben sind.«
    »Ich habe keine Geschwister.« Isabella war befremdet über die Freimütigkeit von Ninas Rede, ließ sich jedoch nichts anmerken. Sie selbst hätte niemals zugegeben, von niedriger Geburt zu sein. Statt stolz auf das Erreichte zu sein, machte diese Frau sich offenbar einen Spaß daraus, über ihre niedrige Herkunft zu sprechen. Was steckte dahinter? Dummheit? Unbedarftheit? Oder gar übertriebene Selbstsicherheit? In jedem Fall war dieses Verhalten einer Gräfin nicht würdig. Andererseits war sie keine echte Gräfin, nur ein angeheiratetes Bauernmädchen – und so etwas merkte man eben doch.
    »Erzählt mir von Euch, Isabella, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, einziges Kind meiner Eltern zu sein.«
    Isabella lächelte. »Es war in meinem Elternhaus sicher viel ruhiger als bei Euch, Mylady. Mein Vater starb früh, und meine Mutter trauerte sehr um ihn. Sie hat nie wieder geheiratet. Stattdessen bemühte sie sich umso mehr, mich unter die Haube zu bringen. Keine Woche, in der sie nicht ein Fest gegeben hätte, zu dem eine Reihe junger lediger Herren von Stand eingeladen worden wären.«
    »Das muss sicher sehr aufregend für Euch gewesen sein?«
    »Wie man’s nimmt, Mylady. Die meisten jungen Herren meines Alters sind ziemliche Tölpel, picklig, schüchtern, unbeholfen, sie tanzen schlecht, küssen schlecht und verstehen es kaum, eine junge Dame zu fesseln.« Isabella musste an Paolo Farnese denken, der gewiss zu dieser Sorte gehörte, und beschloss, ihn nicht zu erwähnen. Würde sie es tun, zöge das nur unnötige Fragen nach sich, und sie

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