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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Verstärkungen warten und gleichzeitig hoffen, neuen Proviant und neue Munition zu erhalten.
    Der französische Gouverneur von Calais wiederum, Monsieur Giraud de Mauleon, ein sechsundsiebzig Jahre alter einbeiniger Haudegen, verweigerte den Spaniern die dringend benötigten Kanonenkugeln und gestattete ihnen lediglich die Übernahme von frischer Verpflegung, Früchten und Wasser.
    Von alledem hatten die Männer auf der
Camborne
nur wenig oder gar nichts mitbekommen, denn Steel, der durch Kurierboote regelmäßig auf dem Laufenden gehalten wurde, war in den letzten Tagen immer verschlossener geworden. Er wusste, dass die Lage sich mehr und mehr zuspitzte und das alles entscheidende Treffen bevorstand.
    Vitus und Stonewell ihrerseits hatten wenig Muße, sich um die Schlachtenlage zu kümmern, denn sie hatten im Verlauf der Gefechte vor der Isle of Wight mehr zu tun bekommen, als ihnen lieb war. Neun Mann waren auf die
Camborne
gebracht worden, acht Mannschaften und ein Decksoffizier namens Creedy. Die Matrosen hatten Verwundungen schwerster Art davongetragen, was allgemein die Voraussetzung dafür war, auf ein Lazarettschiff überführt zu werden. Leichtere Verletzungen wurden auf den Schiffen ihrer Majestät mit Bordmitteln versorgt, was in der Regel zufriedenstellend klappte, da auf vielen Einheiten ein Wundarzt mitfuhr.
    Zweien der neun hatten Vitus und Stonewell ein Bein amputieren müssen; ihre Chancen zu überleben standen nicht schlecht, wohl auch, weil Vitus Ambroise Parés Methode der Arterienligatur angewandt hatte. Ein weiterer Grund für ihre guten Aussichten mochte in einer Neuerung liegen, die Vitus im Behandlungsraum eingeführt hatte: Es handelte sich um köcherförmige Behältnisse, die neben dem Operationstisch angebracht wurden. In ihnen konnten die Instrumente sicher und stets griffbereit verwahrt werden, was ein rasches, wirksames Operieren auch bei unruhiger See erlaubte.
    Einem anderen der armen Teufel war der Arm bis zur Schulter fortgerissen worden. Bei ihm hatten alle Erkenntnisse Parés nichts genützt; seine riesige Wunde musste mit dem Kautereisen ausgebrannt werden. Er bekam
Laudanum
gegen die Torturen, die er litt.
    Zwei Männer hatten innere Verletzungen, wobei einem die Gedärme heraushingen, weil ein herumfliegender Holzsplitter ihm den Bauch aufgeschlitzt hatte, und dem anderen das Brustbein von einer Spiere zerschmettert worden war. Beide Männer hatten wenig Aussicht, die nächsten Stunden zu erleben, da ihre Verwundungen schon mehrere Tage zurücklagen und ihre Körpersäfte kaum wieder ins Gleichgewicht kommen würden.
    Ein weiterer der Bedauernswerten hatte einen hässlichen offenen Bruch. Die Elle des rechten Arms stand in einem aberwitzigen Winkel aus dem Fleisch heraus. Der Mann war von der
Cygnet,
einem kleineren Schiff ohne Wundarzt, weshalb sein Kapitän ihn auf die
Camborne
hatte bringen lassen. Vitus hatte die Verletzung mit Hilfe einer Bruchlade gerichtet und Stonewell die Wunde nach allen Regeln der Kunst verbinden lassen. Dennoch blieb die Sorge, ob die Behandlung rechtzeitig zur Vermeidung der Wundfäule vorgenommen worden war.
    Dem siebten Mann war durch einen tragischen Unfall der linke Augapfel herausgeschlagen worden. Das Auge hing wie ein Ball aus der leeren Höhle. Vitus und Stonewell hatten feststellen müssen, dass der gallertartige Apfel bereits halb vertrocknet war, so dass ein Zurückschieben an den eigentlichen Bestimmungsort keinen Sinn machte. Sie hatten das Auge abgetrennt und die Höhle mit Hilfe der Wimpernlappen zugenäht.
    Der achte Matrose wies dieselben Symptome wie Creedy auf: Er hatte hohes Fieber, litt unter Bauchkrämpfen und hatte Schmerzen bei der Darmentleerung. Vitus tippte bei beiden auf
dysentery,
zumal beide von demselben Schiff, der
Moon,
stammten. Die
dysentery,
die in Spanien
disentería
und in Deutschland Ruhr genannt wurde, war eine hochkontagiöse Krankheit, weshalb Vitus sofort nach der Diagnose dafür gesorgt hatte, dass Creedy und sein Kamerad einen abgesonderten Raum im Orlopdeck bekamen. Anschließend waren sämtliche Krankenräume mit Essigwasser ausgewaschen und mit Schwefel ausgeräuchert worden.
    Die Behandlung von Creedy und seinem Leidensgenossen bestand in der Vergabe von fiebersenkenden Mitteln, wie Weidenrindentee und Kantharidin, welches eine Substanz aus der Spanischen Fliege war und deshalb nur in geringsten Dosen verabreicht werden durfte. Ferner in der Versorgung mit reichlich frischem Wasser, um den

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