Die Liebe des Wanderchirurgen
immer so furchtbar schlecht folgen kann. Er sagte zu mir so etwas wie ›Metze‹, und im ersten Augenblick dachte ich, er sei mir gram, aber er stülpte dabei so lustig sein Fischmündchen vor, dass es bestimmt freundlich gemeint war. Und dann sagte er noch so etwas wie ›ich würde ja mächtig kanöffeln‹ und er wüsste schon, wie er es mir ›stechen‹ könnte. Oh, es klang alles einfach zu putzig!«
Vitus unterdrückte ein Gähnen. Er war tatsächlich eingeschlafen und brauchte einen Augenblick, um wieder zu sich zu kommen. »Du warst lange weg.«
»So lange nun auch wieder nicht. Der Zwerg und ich, wir hatten uns einiges zu sagen. Aber nun bin ich wieder bei dir.«
»Du und Odder, hattet ihr euch auch so viel zu sagen?«
Isabella runzelte die Stirn. »Odder? Wie kommst du denn auf den?«
Vitus zeigte ihr die Zeichnung.
»Wo hast du die her?«
»Sie fiel aus einem deiner Regale.« Das war nur die halbe Wahrheit, aber darum ging es im Moment nicht. »Die Zeichnung zeigt, dass ihr beide ›in Liebe verbunden seid‹, wenn ich es so ausdrücken darf.«
»Ich verstehe dich nicht.« Isabella setzte sich zu ihm auf die Koje.
Vitus zeigte ihr die Linie, aus der mit etwas Phantasie das Wort »love« herauszulesen war.
Nachdem sie begriffen hatte, was er meinte, sagte sie eine Zeitlang nichts. »Der arme, gute, fürsorgliche Odder«, flüsterte sie dann. »Ich bin gerührt. Er war ein Verlorener, wie er immer sagte, und ich, so sagte er, war eine Verzweifelte. Und bei Gott, das war ich auch. Wenn Odder nicht gewesen wäre, würde ich heute nicht neben dir sitzen.«
»Ich will wissen, ob du etwas mit ihm hattest.«
Isabella schaute ihn entrüstet an. »Aber Liebster, wie kommst du nur darauf?«
»Bitte antworte mir.«
Sie stand auf und zog sich mit langsamen Bewegungen aus. »Ich will dir deine dummen Gedanken vertreiben.«
»Isabella, ich meine es ernst.«
Sie schlüpfte zu ihm ins Bett.
»Isabella, ich …«
»Ja …?«
»Ach, nichts.«
Fünf Tage später, man schrieb mittlerweile Sonntag, den 28 . Juli, hatte sich im Großen und Ganzen nichts an der allgemeinen Lage geändert: Die Armada strebte in fester Halbmondformation weiter nach Osten, um sich mit den Truppen des Herzogs von Parma zu vereinen, und die englische Flotte folgte ihr wie ein Rudel Wölfe dem Wild.
Die Wölfe hatten immer wieder angegriffen, so auch am 24 . und 25 . Juli südlich der Isle of Wight, wo im Verlauf der Kämpfe das Flaggschiff des Herzogs von Medina Sidonia, die
São Martinho,
und das Flaggschiff von Lordamiral Howard, die
Ark Royal,
heftig aneinandergeraten waren. Mit dem schlechteren Ausgang für den Spanier, der vier oder fünf volle Breitseiten einstecken musste. Die Rede war von fünfzig Toten und mindestens ebenso vielen Verletzten.
Dennoch segelte die Armada stetig und uneinnehmbar den Kanal hinauf, ohne den Verlust eines Schiffs beklagen zu müssen. Der einzige wirkliche Erfolg – wenn man ihn als solchen bezeichnen wollte – beruhte auf der Tatsache, dass der Herzog von Medina Sidonia sich offenbar entschließen musste, nicht in Margate im Süden der Themsemündung an Land zu gehen, sondern seine Schiffe nach Calais zu steuern und sie dort im Laufe des Tages auf Reede zu legen. Dafür gab es nur einen denkbaren Grund: Der Herzog von Parma hatte mit seinen Truppen nicht nach Margate übersetzen können, sondern war auf dem Kontinent geblieben, um sich dort mit den Kräften der Armada zu vereinigen.
Insgesamt jedoch war es eine äußerst zufriedenstellende Entwicklung für die Spanier, wie Don Pedro noch am Abend zuvor an Steels Tafel betont hatte, obwohl er kaum wissen konnte, dass nicht weniger als fünfunddreißigtausend Mann, darunter keineswegs nur Iberer, sondern auch Deutsche, Wallonen, Italiener, Iren und über ein Dutzend Kompanien zu Pferd, nur darauf warteten, die Kräfte der Armada zu verstärken.
Doch wie immer in diesem Krieg konnte man die Dinge von zwei Seiten aus betrachten: Für die englische Seite sprach, dass der Herzog von Parma zwar über gewaltige Streitkräfte verfügte, diese aber in den Niederlanden zusammengezogen hatte, was bedeutete, dass er sein Heer erst über verzweigte Kanäle und französisches Gebiet nach Calais heranführen musste. Ob ihm dies rechtzeitig gelingen würde, durfte zu Recht bezweifelt werden.
Andererseits fühlten die Spanier sich auf der Reede von Calais sicher, weil sie im Schutz der Uferbatterien lagen. Sie konnten auf die
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