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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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einer beschleunigten Darmpassage litt, hatte kein neuer Fall in die Quarantänestation eingeliefert werden müssen, wofür niemand dankbarer war als Vitus.
    Aber auch Don Pedro hatte aufgeatmet, als sicher zu sein schien, dass die
disentería
nicht weiter um sich griff. Er war nicht nur ein angenehmer Gesprächspartner, sondern auch zu einem geschickten, zupackenden Helfer in der Krankenversorgung geworden. Ein paarmal, besonders bei Amputationen, wenn zwischen ihm und Vitus alles blitzschnell gehen musste, war beiden das »Du« herausgerutscht, aber sie hatten so getan, als hätten sie es nicht bemerkt.
    McQuarrie war in die Kapitänskajüte gezogen, nachdem er sich vorübergehend gesträubt hatte, weil er meinte, sie stehe Vitus zu. Vitus wiederum hatte das entschieden abgelehnt, da er befürchtete, dem neuen Kommandanten könnte nicht genug Respekt entgegengebracht werden, wenn er nicht in Steels Behausung lebte.
    Isabella wohnte nach wie vor in der ehemals gemeinsamen Kammer und zeigte sich bei Vitus’ wenigen Besuchen jedes Mal von einer anderen Seite: Mal war sie launisch, jähzornig und angriffslustig, dann wieder sanft wie ein Kätzchen, sehnsuchtsvoll und verführerisch. Doch Vitus hatte nicht vergessen, wer sie in Wirklichkeit war, und hielt stets Abstand zu ihr – selbst wenn sie vor Wut mit den Fäusten gegen die Wände trommelte und ihre Verzweiflung hinausschrie. Er hatte dem Posten vor der Tür gesagt, die Anfälle von Mylady gehörten zu ihrer Krankheit, er solle sich ja nicht unterstehen, jemals hineinzugehen.
    Dem Zwerg, der Isabella regelmäßig Speise brachte, hatte Vitus längst Abbitte geleistet. Er hatte ihm gestanden, er sei blind gewesen, blind vor Fleischeslust, und er hoffe auf seine Verschwiegenheit, und der Winzling hatte geantwortet: »Ich hab nix gespäht un nix erlauscht, Örl, bist mein tritratreuer Gack alleweil.«
    Doch auch dieser 3 . August sollte noch ein bewegter Tag werden, obwohl McQuarrie und Vitus, die oben auf dem Kommandantendeck standen, das noch nicht ahnten. Das Wetter hatte sich die ganze Woche von seiner ungnädigen Seite gezeigt, hatte den Männern der
Camborne
Wind, Sturm und Regen entgegengeschickt und ihnen an und unter Deck das Leben schwergemacht. »Mit etwas Glück wird es morgen besser, ich spüre es in meinen alten Seemannsknochen!«, rief McQuarrie durch die Regenschleier.
    »Es wird auch Zeit!«, brüllte Vitus zurück. »Wenn es so bleibt, finden wir die
Santa Maria
nie. Glaubt Ihr, sie ist noch vor uns?«
    »Kann gut sein, Sir. Langsamer als wir ist sie auf keinen Fall, und wir haben immerhin über einen Tag in Kirkcaldy verloren.«
    »Das ist wahr!«
    »Hauptsache, sie setzt nicht Kurs nach Dänemark oder Norwegen, dann ginge sie uns wahrscheinlich durch die Lappen, aber genau wissen wir’s nicht, Sir … He, Mister Abbot, Ihr seid in Gedanken wohl noch an Land, lasst die Hauptsegel mehr anbrassen, wir verlieren Fahrt!«
    »Aye, aye, Sir!«
    McQuarrie wandte sich wieder an Vitus: »Wo waren wir stehengeblieben, Sir?«
    »Bei der Frage, wohin sich die Schiffe der Armada wenden werden. Ich glaube eher, sie werden zwischen den Orkneys und den Shetlands nach Westen halten und danach südlichen Kurs steuern, vorbei an den Äußeren Hebriden. Es ist der kürzeste Weg zurück nach Spanien.«
    »Das glaube ich auch, Sir. Hoffentlich behalten wir beide recht!«
     
     
     
    Eine Stunde später sollte das Rätselraten ein Ende haben, denn der Ausguck im Vormast schrie: »Wale voraus!«
    »Wale?«, rief McQuarrie. »Was für Wale?«
    »Schwer zu sagen, Sir. Könnte sich um Schweinswale handeln.«
    »Meinetwegen! Kurs halten, da unten am Kolderstab! Wir werden ja sehen!«
    Doch es zeigte sich, dass es alles andere als Wale waren, die ihnen in der lang rollenden Dünung begegneten.
    Es waren die aufgedunsenen Leiber toter Pferde.
    McQuarrie brüllte: »Was machen die armen Viecher denn im Wasser? Sollten doch eher auf der Weide sein!«
    »Ich habe eine Vermutung!«, gab Vitus in gleicher Lautstärke zurück, denn der Wind heulte noch immer beträchtlich. »Es sind die Pferde der Seesoldaten unserer verschwundenen Armada!«
    McQuarrie wischte sich das Regenwasser aus den Augen. »Mag sein! Aber statt die Viecher zu ersäufen, sollten die Dons sie lieber schlachten und fressen. Ich glaube nicht, dass ihre Vorratskammern zum Bersten voll sind. Wieso schmeißen sie die Gäule über Bord?«
    »Ich weiß es nicht, McQuarrie! Vielleicht waren die Pferde krank,

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