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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vielleicht sind die Kochfeuer der Dons erloschen, vielleicht musste einfach Ballast abgeworfen werden, um nicht zu sinken – in jedem Fall ist eines jetzt klar: Die Armada segelt um Schottland herum, und wir sind hinter ihr her!«
    »Jawohl, Sir!«, brüllte McQuarrie. »Das sind wir!«
     
     
     
    Später am Abend besuchte Vitus die Kranken und Verwundeten tief unten im Bauch des Schiffs, wechselte ein paar Worte mit ihnen, munterte sie auf und ging dann weiter in die Quarantänestation, wo er zu seiner Überraschung nicht nur Stonewell und Creedy, sondern auch McQuarrie antraf. Der frischgebackene Captain der
Camborne
unterhielt sich mit dem Decksoffizier der
Moon,
während Stonewell unruhig schlief und dabei rasselnd atmete. »Was macht Ihr denn hier, McQuarrie, wollt Ihr Euch den Tod holen?« Vitus’ Stimme klang härter als beabsichtigt. Aber Zugang zu der Quarantänestation hatten nur er selbst, Don Pedro und der Zwerg. Daran hatte sich auch ein Kapitän zu halten.
    »Die Ruhr kann mir nichts anhaben, Sir, ich hab die Scheißerei schon so oft gehabt und lebe immer noch.«
    Vitus musste sich beherrschen, um höflich zu bleiben. »Ich glaube nicht, dass Ihr den Unterschied zwischen der Ruhr und einem fieberhaften Durchfluss kennt, und ich wünsche Euch auch nicht, dass Ihr ihn kennenlernt. Habt Ihr Creedy berührt?«
    »Ja, Sir, aber nur kurz. Ich habe ihm die Hand gegeben, denn wir sind uns einig, dass er, wenn er wieder gesund ist, als Maat auf diesem Schiff fährt. Gute Männer sind rar, und Creedy ist ein guter Mann, nicht, Creedy?«
    Der Decksoffizier nickte nicht ohne Stolz.
    Vitus wollte die Sache zu Ende bringen und sagte: »Ich muss Euch bitten, Captain McQuarrie, unverzüglich diesen Raum zu verlassen, und ich bestehe darauf, dass Ihr ihn nie wieder betretet.«
    McQuarrie war es peinlich, vor Creedy so behandelt zu werden, aber er ahnte, dass Vitus recht hatte, und gab deshalb klein bei. »Jawohl, Sir.«
    »Und wascht Euch draußen sofort die Hände. Reinlichkeit ist im Umgang mit der Ruhr oberstes Gebot.«
    »Jawohl, Sir.« McQuarrie verschwand.
    Als er draußen war, fragte Vitus: »Fühlt Ihr Euch tatsächlich so viel besser, Creedy?«
    Creedy richtete sich halb auf. »Aye, Sir. Das Fieber ist seit gestern runter, und auf den Kübel muss ich auch nicht mehr so oft.«
    »Das höre ich gern«, sagte Vitus. »Aber wehe, Ihr verlasst Euer Lager, bevor ich es erlaube.«
    »Aye, aye, Sir. Geht klar.« Creedy, ein hagerer Mensch von nahezu sechs Fuß Länge, legte sich wieder hin. »Wann ist es denn so weit?«
    »Das werden wir sehen.« Vitus nickte Creedy zu, beschloss, Stonewell nicht zu wecken, und verließ die Quarantäne-station.
    Im Behandlungsraum legte er die Schwerwetterkleidung ab und streckte sich auf dem Operationstisch aus. Der Tisch war seit Tagen seine Bettstatt, deren harte Fläche er abgepolstert hatte. Wenn der Rücken sich einmal daran gewöhnt hatte, war das Lager gar nicht so schlecht, und in jedem Fall breiter und besser als eine normale Pritsche, wie sie den Kranken zugewiesen wurde.
    Die See war in den Abendstunden rauher geworden, die
Camborne
stampfte und rollte, was bedeutete, dass er sich anschnallen musste, wollte er im Schlaf nicht herunterfallen. Es gab an zwei Seiten des Tischs jeweils zwei Gurte, die zum Festzurren der Gliedmaßen bei einer Operation dienten. Drei davon pflegte er zu nutzen: einen für das linke Bein, einen für das rechte Bein und einen für den linken Arm. Der letzte Gurt musste offen bleiben, da er die rechte Hand für das An- und Abschnallen brauchte.
    Nachdem er die Prozedur hinter sich gebracht hatte, lag er auf dem Rücken und schaute nach oben. Es war eine Stellung, die er schätzte, denn die schwankenden Planken über ihm hatten etwas Beruhigendes und Einschläferndes. Die
Camborne
war ein sicheres Schiff, gut konstruiert und stark in den Verbänden. Es würde ihn sicher tragen, auch im Schlaf. Und mit ein wenig Glück würde es ihn zum Magister führen.
    Der Magister … Was der kleine Gelehrte wohl gerade machte? Ob er Schmerzen hatte? Ob er überhaupt noch lebte? Er musste leben! Wie sinnlos dieser Krieg doch war! Dieser verfluchte Krieg, der einen Keil zwischen ihn und seinen langjährigen Gefährten getrieben hatte.
    Aber er würde ihn finden. Und er würde ihn heilen, egal, wie schwer seine Verletzung war.
    Und er würde heimkehren, mit ihm und dem Zwerg – und ohne Isabella.
    Isabella … Sie war der größte Fehltritt seines Lebens.

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