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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Es gibt Schiffe, die segeln nur mit, und es gibt welche, die wollen gewinnen. In ihnen steckt etwas Unbekanntes, etwas, das in keine mathematische Formel zu gießen ist, nennt es das Unerforschliche, das Unbegreifbare, meinetwegen das Göttliche. Tatsache ist: Es ist da. Und in einem ganz besonderen Maße steckt es in der
Falcon.
‹ Tja, das sagte er zu mir. Seitdem bin ich fest davon überzeugt, dass kein anderes Schiff der
Falcon
das Wasser reichen kann, auch wenn sie die Narben vieler Schlachten trägt.«
    Vitus legte den Suppenlöffel beiseite. Walsinghams und Howards Ausführungen waren so fesselnd gewesen, dass er das Essen darüber vergessen hatte. »Ich selbst bin auf der
Falcon
gefahren«, sagte er. »Und ich glaubte, sie zu kennen, aber jetzt sehe ich sie in einem neuen Licht. Sie ist ein ganz besonderes Schiff, das sich der Aufgabe sicher würdig erweisen wird. Sie und mein Freund Sir Hippolyte Taggart.«
    »Captain Taggart war leider sehr erkrankt.«
    »Wie bitte? Das kann nicht sein!«
    »Und doch ist es so«, beharrte Howard. »Taggarts Kniegelenke machten nicht mehr mit. Der Arme hatte nur noch Schmerzen. Konnte keinen Schritt mehr vor den anderen setzen. Deshalb musste er sich im letzten Jahr in die Behandlung von Professor Banester begeben. Wie man hört, schlug die Therapie gut an, mittlerweile juckt es ihn schon wieder in allen Knochen, auf sein Schiff zurückzukehren, aber ich habe da meine Bedenken.«
    Vitus nickte. »Die hätte ich auch.«
    »Es sei denn, der Captain befände sich in Begleitung eines sehr guten Arztes. Eines Arztes, mit dem er befreundet ist und auf den er hört.«
    »Ihr meint doch nicht etwa mich?«
    »Um es geradeheraus zu sagen: Ja, ich meine Euch, Sir. Ich bitte Euch, die medizinische Versorgung von Taggart zu übernehmen.«
    »Da also liegt der Hase im Pfeffer! Nun, meine Antwort ist: nein. Taggart zu begleiten ist unmöglich, und es kommt auch, äh, viel zu plötzlich!« Vitus wandte sich an Walsingham. »Sagt, Sir, hat unser Geheimdienst denn nicht die Möglichkeit, den Auslaufzeitpunkt der Armada zu erkunden und ihre Stärke nach England zu melden?«
    Walsingham runzelte die Stirn. »Im Prinzip, ja, Cirurgicus, Ich darf bei aller Bescheidenheit sagen, dass meine Männer die gerissensten, verwegensten und abgebrühtesten Burschen sind, die man für Geld kaufen kann. Sie sind überall eingeschleust, in sämtlichen Ländern Europas, in allen großen Städten – auch in Lissabon, in Madrid und im Klosterschloss Escorial, dem Sitz Philipps II . Dort arbeiten sogar die Tüchtigsten von allen.«
    »Aber?«
    Walsingham zuckte mit den Schultern. »Ich sage es nicht gern, aber seit vierzehn Tagen ist jegliche Verbindung nach Spanien abgebrochen. Meine Vertrauensmänner melden sich nicht mehr, sie sind stumm wie ein Fisch im Wasser. Es gibt nur eine Erklärung dafür: Sie sind tot oder enttarnt.«
    Howard schaltete sich wieder ein: »Ihr seht, Sir, es gibt keine andere Möglichkeit, wir müssen hinunter vor Ort, und das lieber heute als morgen. Die Zwickmühle, in der ich stecke, wird deshalb nicht kleiner. Soll ich die
Falcon
unter einen anderen Kommandanten stellen? Taggart würde mich erschlagen. Soll ich statt der
Falcon
einen anderen Segler schicken? Taggart würde mich ebenfalls erschlagen. Glaubt mir, ich kenne ihn. Wenn er von der Aufgabe erfährt, und früher oder später erfährt er von ihr, wird er sich von nichts und niemandem davon abhalten lassen, sie zu erfüllen.« Howard holte tief Luft. »Diese Aufgabe zu bewältigen ist eine Herausforderung ohne Beispiel. Ich will nicht dramatisch werden, Sir, aber das Wohl und Wehe von über drei Millionen Engländern kann davon abhängen, das Schicksal eines ganzen Volkes!«
    Er machte eine kurze Pause und sprach dann eindringlich weiter: »Aber was wäre, wenn Taggart während der Reise ausfiele? Die
Falcon
wäre nur noch die Hälfte wert. Die beiden bilden eben eine Einheit. Sie kann nicht ohne ihn, er kann nicht ohne sie.«
    Vitus nickte langsam.
    »Frei heraus, Sir, was würdet Ihr an meiner Stelle tun?«
    »Ich habe selten eine so gute Argumentation gehört.«
    »Danke, Sir.« Howard war etwas verwirrt. Dann fügte er hinzu: »Auch auf die Gefahr hin, dass ich Euch lästig falle – was würdet Ihr an meiner Stelle tun?«
    Vitus grinste. »Nun, ich würde dieselbe Frage an mich richten.«
    »Und wie lautet Eure Antwort?« Howard beugte sich gespannt vor.
    »Ich bitte mir Bedenkzeit aus.«
    »Natürlich.« Howard

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