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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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scharfen Ritt.
    Umso gesitteter war seine Kleidung: Zu einem weißen Spitzenhemd trug er ein gutsitzendes ausgestopftes Wams von marineblauer Farbe und eine perfekt geschnittene schwarze Oberschenkelhose. Die Strümpfe waren ebenfalls marineblau und die Schuhe mit den silbernen Schnallen wiederum schwarz. Alles bestand aus besten Materialien, machte aber keinen aufschneiderischen Eindruck.
    Howard kräuselte die Lippen. So hatte er sich den Earl nicht vorgestellt. Nicht so jung und nicht so – stattlich. Er fragte sich unwillkürlich, mit welchen Worten er den Eindruck beschreiben würde, den der Earl auf ihn machte, und er dachte bei sich: Nun, er wirkt ruhig, freundlich und selbstsicher. Wobei die Selbstsicherheit, das sieht man wohl, ihre Ursache nicht in Überheblichkeit hat, sondern eher in Erlebtem und Durchlittenem. Doch ein paar Fältchen um die Augenwinkel verraten, dass ihm bei alledem der Humor nicht abhanden gekommen ist.
    »Ich grüße Euch, Gentlemen«, sagte der Earl und ging lächelnd auf Walsingham und Howard zu.
    »Guten Tag, Mylord«, sagten Walsingham und Howard und verneigten sich steif.
    »Ich danke Euch für die Einladung, Sir Francis. Wenn Ihr erlaubt, darf ich unserem Gespräch eine Bitte voranstellen: Ich kann mich noch gut an jenen Tag vor acht Jahren erinnern, als ich mit Euch sprach, bevor die Königin mir eine Audienz gewährte, in deren Verlauf sie mich adelte. Mein Name war zu dem Zeitpunkt Vitus von Campodios, und Ihr redetet mich mit ›Sir‹ oder ›Cirurgicus‹ an. Seid so freundlich und lasst es auch weiterhin dabei bewenden.«
    Walsingham nickte erfreut.
    »Die Bitte geht auch an Euch, Lordadmiral.« Der Earl, den seine Freunde einfach Vitus nannten, verbeugte sich leicht in Richtung Howard.
    »Wie Ihr wünscht – Sir.« Howard war zum zweiten Mal überrascht, angenehm überrascht, um es genau zu sagen. Er führte den Titel Viscount Howard of Effingham, den er von seinem Vater geerbt hatte, und dieser Titel war im Rang niedriger einzustufen als der eines Grafen. Gleiches galt für den Ritterstand, in den Walsingham von der Königin erhoben worden war. Dass der Earl dennoch auf die Anrede »Mylord« verzichtete, mochte als gutes Vorzeichen für das kommende Gespräch gelten. »Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen, Sir. Im Gegensatz zu anderen war mir noch nicht das Glück vergönnt, Euch bei Hofe zu begegnen.«
    »Was aber nicht weiter verwunderlich ist.« Vitus lachte. »Die Male, die ich in Whitehall war, kann man an einer Hand abzählen.«
    »Nanu, wie das?«
    »Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich komme mir dort fehl am Platze vor.« Diese Formulierung war eine höfliche Untertreibung, denn in Vitus’ Augen war der Palast mehr oder weniger eine Stätte der Begierden, eine Schlangengrube, in der die großen und kleinen Schranzen, die Kriecher und Speichellecker nichts anderes im Kopf hatten, als sich geschmeidig zu verhalten und sich Vorteile zu erzüngeln.
    »Wollen wir uns nicht setzen?«, fragte Walsingham und deutete auf ein drittes Sitzmöbel, das von Mufflin bereitgestellt worden war.
    Während die Herren Platz nahmen, kam der Bücherwurm mit einem Tablett und bot eine Auswahl kräftigender Getränke an, darunter Wein, Gin, Whisky und Armagnac, einen zwanzig Jahre alten französischen Brandy. »Was darf es sein, Mylord?«, fragte er mit gemessener Stimme.
    »Oh, nichts Kaltes bei dem Wetter. Vielleicht eine heiße Suppe, wenn Ihr habt.«
    »Eine heiße Suppe? Äh, sehr wohl, Mylord.« Mufflin verschwand.
    In die entstehende Stille hinein sagte Vitus: »Das sind zwei sehr hübsche Schiffsmodelle.«
    »In der Tat, in der Tat.« Walsingham wusste nicht recht, wie er das Gespräch beginnen sollte, deshalb sagte er: »Ich danke Euch, dass Ihr Euch herbemüht habt, Cirurgicus. Wenn es sich nicht um eine Angelegenheit von größter Dringlichkeit handelte, hätte ich Euch nicht in mein Haus gebeten.«
    »Ihr macht es spannend, Sir.«
    »Wenn Ihr erlaubt, gebe ich das Wort gleich weiter an den Lordadmiral. Er wird Euch erklären, worum es geht.«
    »Gern.«
    »Nun …« Die Gesprächswendung kam für Howard etwas plötzlich. Er sammelte sich. Dann wusste er, wie er anfangen konnte. »Sir, Ihr habt eben ganz richtig bemerkt, dass es sich bei den zwei Schiffen um sehr hübsche Modelle handelt. Der Meinung bin auch ich. Aber gleichzeitig machen sie deutlich, in welch großer Gefahr sich England und die Krone befinden.«
    Howard machte eine Pause, um

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