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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dem jungen Earl die Gelegenheit für eine Reaktion zu geben, aber es kam keine. Vitus hörte nur konzentriert zu.
    »Die
Nuestra Señora de la Concepción
steht stellvertretend für die spanische Flotte, die
Elizabeth Bonaventure
für die englische. Ihr mögt daran erkennen, wie die Kräfteverhältnisse sind. Die Armada wird in naher Zukunft, damit erzähle ich Euch sicher nichts Neues, nach England aufbrechen, um unser Land zu überfallen und die Königin abzusetzen. Wir sind also nicht nur in der Rolle des Unterlegenen, sondern dazu in der des Verteidigers. Eine doppelt schlechte Ausgangslage.«
    »Da will ich Euch nicht widersprechen. Auch ich mache mir meine Gedanken. Aber was hat das Ganze mit mir zu tun?«
    »Habt noch einen Augenblick Geduld, Sir, Ihr werdet es gleich erfahren. Die Admiralität …«
    »Die Suppe, Mylord.« Mufflin setzte ein Tablett mit Teller und Terrine auf einem Beistelltisch ab. »Es wäre auch noch weißes Brot und Hirschpastete da.«
    »Danke, Mufflin, vielleicht später.«
    Howard war nicht begeistert über die Unterbrechung, machte aber gute Miene zum bösen Spiel. »Stärkt Euch nur erst, Sir, ich kann später fortfahren.«
    »Nein.« Vitus schüttelte den Kopf. »Sprecht weiter, Ihr habt mich neugierig gemacht. Außerdem dürfte die Suppe noch viel zu heiß sein.«
    »Nun gut. Die Admiralität und ich sind der Meinung, dass die Schlacht gegen die Dons nur dann zu gewinnen ist, wenn wir sie in den Kanal verlegen. In der Enge dieses Gewässers wird der Feind einen Großteil seiner Bewegungsfähigkeit einbüßen, während wir den Vorteil haben, ihn aus unseren Häfen heraus bekämpfen zu können. Dazu kommt, dass wir Wind, Wetter und Gezeiten genau kennen.«
    »Das leuchtet ein.« Vitus kratzte sich nachdenklich am Kinn, in dessen Mitte ein Grübchen saß. »Aber warum erst abwarten, bis der Feind vor der Tür steht? Warum segeln wir ihm nicht entgegen und stellen ihn auf dem offenen Meer? Angriff ist die beste Verteidigung.«
    Howard gestattete sich ein Lächeln. »Nicht immer, Sir, nicht immer. Das Meer ist groß, und es wäre fatal, wenn wir den Feind verpassten. Stellt Euch vor, die Spanier würden unsere Küsten stürmen und in einer blutigen Schneise nach London marschieren, während unsere Kapitäne sie noch auf hoher See suchen.«
    »Ich muss zugeben, dass ich daran nicht gedacht habe.« Vitus blies auf die Suppe und nahm mit spitzen Lippen den ersten Löffel. »Hm, sehr gut!«
    »Das freut mich, Cirurgicus«, sagte Walsingham.
    »Guten Appetit«, wünschte Howard und fuhr fort: »Wenn wir aber den Feind im Kanal erwarten, müssen wir versuchen, die Armada nach ihrem Auslaufen baldmöglichst zu sichten, um ihre genaue Größe, Zusammensetzung, Bewaffnung und so weiter zu erfahren. Je früher, desto besser. Nur so werden wir die Möglichkeit haben, unsere Abwehrmaßnahmen perfekt abzustimmen.«
    »Das klingt schlüssig. Aber um das zu erreichen, müsstet Ihr ein Schiff hinunter nach Spanien schicken. Eines, das außerordentlich schnell ist und von einer hervorragenden Crew gesegelt wird.«
    »Genau das habe ich vor, Sir.«
    »Verzeiht, aber ich verstehe noch immer nicht, was Eure Überlegungen mit mir zu tun haben.«
    »Ich beabsichtige, die
Falcon
zu entsenden.«
    »Die
Falcon?
Wenn mich nicht alles täuscht, hat sie mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel!«
    »So ist es, Sir. Trotzdem ist sie noch immer das schnellste hochseetaugliche Schiff unserer Flotte.«
    Walsingham mischte sich ein: »Das ist sie fürwahr. Sie wurde damals als eine Art Versuchsschiff von Matthew Baker, unserem Meisterkonstrukteur, auf Kiel gelegt. Alle seine genialen Ideen wurden bei ihrem Bau verwirklicht, denn im Gegensatz zu später, als das Flottenamt mit seinen bürokratischen Forderungen und Einschränkungen kam, hatte er bei seinem Erstling freie Hand. Die sogenannte Baker-Galeone, deren Rumpf eine Symbiose aus der Form von Dorschkopf und Makrelenschwanz ist, wurde hier in ihrer reinsten Form verwirklicht.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Und wenn wir schon bei Matthew Baker sind«, nahm Howard den Faden auf, »müssen wir auch über ein Phänomen sprechen, das er mir gegenüber einmal erwähnte: ›Nehmt zwei völlig gleiche Schiffe und zwei völlig gleiche Mannschaften‹, sagte er, ›nehmt die gleichen Winde, das gleiche Wetter, die gleiche See, und doch wird immer eines der beiden Schiffe schneller sein. Der Grund liegt in seiner Persönlichkeit. Jedes hat eine andere, eine ganz eigene.

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