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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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keine Hilfe in Aussicht gestellt hatte. Nicht aus bösem Willen, nicht aus mangelndem Interesse, sondern einfach, weil nach mehreren Jahren intensiver Flottenrüstung Ebbe in der Staatskasse herrschte. Er selbst konnte ein Lied davon singen, seine Spionage-Organisation verschlang ungeheure Summen, die er wegen der misslichen Finanzlage zum großen Teil aus der eigenen Tasche bestritt. Allerdings fiel ihm das zunehmend schwerer, seitdem sein Schwiegersohn, Sir Philip Sidney, vor zwei Jahren das Zeitliche gesegnet und ihm einen Riesenberg Schulden hinterlassen hatte. Doch das tat nichts zur Sache. In jedem Fall glaubte er nicht, dass die Königin ihm mehr Gehör schenken würde als Howard. Trotzdem sagte er höflich: »Ich will sehen, was sich machen lässt.«
    Howards ernste Augen leuchteten auf. »Ich wusste, dass ich auf Euch zählen kann!«
    »Versprechen kann ich nichts.«
    »Natürlich nicht. Dennoch ist es ein Strohhalm, an den ich mich klammere. Ach was, wieso ich! Die ganze Nation klammert sich daran! Was nützen die schönsten Strategien, was nützen die geschicktesten Geschwader, was nützen die besten Windkenntnisse, die genauesten Karten, die schnellsten Signalstationen, die besten Kapitäne, die tüchtigsten Offiziere, die tapfersten Mannschaften, was nützt das alles, wenn dem Schwertarm das Schwert fehlt!«
    »Wohl wahr.« Walsingham wunderte sich. So temperamentvoll, so leidenschaftlich hatte er Howard noch nie erlebt. Langsam begriff er, warum die Admiralität ihn schon anno 1585 zum Lord High Admiral, zum obersten Befehlshaber der englischen Flotten, ernannt hatte – und nicht Drake oder Hawkins.
    Howard, der sich bei seinem Ausbruch halb erhoben hatte, setzte sich wieder. »Wir haben leider nicht das Glück, in Neuspanien die Wilden erschlagen und anschließend ihr Gold tonnenweise nach Europa schiffen zu dürfen. Wir können nicht in Juwelen und Preziosen baden. Wir müssen sehen, wie wir zurechtkommen. Aber jede Kugel, die ich mehr an Bord meiner Galeonen habe, ist gut für ein Loch im Wanst der dicken Dons, das schwöre ich.«
    »Ich glaube Euch aufs Wort.« Walsingham war nicht unbeeindruckt. Vielleicht ließ sich bei der Königin doch etwas machen. Seit der Aufdeckung der Babington-Verschwörung, bei der Elizabeth ihr Leben verlieren und Maria Stuart den Thron gewinnen sollte, wusste sie, dass er ihr mindestens ein Mal das Leben gerettet hatte. Das zu bewerkstelligen war im Übrigen nicht ganz einfach gewesen. Die Attentäter hatten ein hohes Maß an Raffinesse an den Tag gelegt und sich mit Maria Stuart über verschlüsselte Nachrichten verständigt, die sie in einem ausgehöhlten Spund versteckten. Der Spund diente als Verschluss eines Bierfasses, das unverdächtig zwischen ihnen und Chartley Hall, dem Gefängnis Marias, hin und her transportiert wurde.
    Es hatte vieler Bestechungsgelder, großer Geduld sowie des Abfangens und Fälschens immer neuer Informationen bedurft, bis die Umstürzler samt ihrer Wunschkönigin in die Falle gegangen waren und aufs Blutgerüst geführt werden konnten. Ja, es war nicht sonderlich gesund, »Walsinghams Dolch von der falschen Seite aus zu sehen«.
    Howard atmete tief durch. »Es tut gut, Euch auf meiner Seite zu wissen! Deshalb hatte ich auch die Kühnheit, Euch zu bitten, mich mit dem Earl of Worthing bekannt zu machen. Ihr hattet ja in der Vergangenheit das Vergnügen, ihn ein paarmal zu treffen.« Er warf einen Blick auf die Wanduhr. »Gleich elf, er müsste jeden Augenblick hereinkommen. Äh, Ihr hattet ihn doch hergebeten?«
    »Selbstverständlich, das hatte ich. Der Earl weilt gerade für einige Tage in London und konnte deshalb einen Besuch in Barn Elms einrichten.« Walsingham wandte sich um, denn Christopher Mufflin war auf der Bildfläche erschienen, »der Bücherwurm«, wie er von seinem Herrn stets genannt wurde.
    »Sir Francis«, sagte der Bücherwurm und machte einen Kratzfuß, »verzeiht die Störung, aber der Earl of Worthing ist soeben eingetroffen und möchte Euch seine Aufwartung machen.«
    »Ich lasse bitten.«
    Beide Herren erhoben sich und blickten neugierig zur Tür. Ein jüngerer Mann stand darin, um die dreißig, von fester Statur, mit einem markanten Gesicht, aus dem zwei kluge graue Augen blickten. Einen Bart trug er nicht. Es schien, als sei die Kraft, die das Wachstum einer solchen Zier erforderte, zusätzlich in sein prachtvolles Haupthaar geschossen. Es war lang, lockig und blond. Und es wirkte etwas wild, wie nach einem

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