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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Und ich kenne dich doch schon so lange. Genau genommen seit zwölf Jahren, seit ich dir und deiner Familie auf dem Feld begegnete. Damals warst du erst vierzehn, und ich hatte überhaupt keine Augen für dich. Aber später, viel später, haben wir uns zum ersten Mal geküsst. Es war während eines Gewitters, weißt du noch? Bei unserer Hochzeit haben wir uns geschworen, dass wir uns immer lieben werden, egal, was passiert, egal, was kommt, und so haben wir es die ganzen Jahre gehalten. Verzeih mir, dass ich fortgegangen bin. Ich konnte doch nicht anders. Ich hatte mein Wort gegeben. Oh, Nina, Nina. Wenn ich zurückkomme, werde ich dich nie wieder verlassen, das verspreche ich dir hoch und heilig.
    Du fehlst mir.
    Ich weiß, ich weiß, ich habe es nicht anders gewollt.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Am anderen Morgen war Sonntag. Vitus war früh auf den Beinen und fühlte sich wie gerädert. Er war in der Nacht mehrmals aufgestanden, um die Arbeiten im Schiff zu kontrollieren und hatte dabei einige Bummelanten erwischt, darunter auch Will und Gerry. Er hatte sie lautstark zusammengestaucht, so lautstark, dass er hoffte, Derartiges nie wieder tun zu müssen. Ein Mann jedoch, Odder mit Namen, schien ein hoffnungsloser Fall zu sein. Der Kerl hatte zwischen zwei Weinfässern gelegen und unüberhörbar geschnarcht. Vitus hatte ihn ein Gatt mit Takelwerk sparren lassen.
    Nach einer flüchtigen Gesichtswäsche und einer ebenso flüchtigen Rasur stieg Vitus auf das Hauptdeck hinunter und ließ alle Männer, auch die der Freiwache, antreten. Er hielt eine kurze Sonntagsandacht, wie es sich auf den Schiffen Ihrer Majestät gehörte, und endete mit den Worten: »Wir sind bei allem, was wir tun, in des Allmächtigen Hand, wir sind Seeleute, die Jesus Christus, Gottes eingeborenem Sohn, vertrauen, wenn es gilt, den Feind aufzuspüren und ihn zu schlagen. Denn wie heißt es bei Jakobus im dritten Kapitel, Vers vier:
    Siehe, die Schiffe, obwohl sie so groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wo Der hin will, Der es regieret.
    Amen.«
    Danach schickte er die Leute wieder an die Arbeit und machte sich auf einen Rundgang, um den Stand der Dinge zu inspizieren. Im Großen und Ganzen war er zufrieden mit dem, was Hutch und Jack mit ihren Männern zuwege brachten – auch wenn es hier und da seiner korrigierenden Hand bedurfte. Danach schritt er die Laufbrücke hinunter an den Kai und hielt einen vorbeifahrenden Proviantwagen an. Der Kutscher hatte es eilig, aber Vitus zeigte ihm einige Silbermünzen und fragte ihn, was er eher gebrauchen könne: die Münzen oder die beiden Fässer auf seinem Wagen. Der Kutscher sagte, nachdem er das Geld mit begehrlichem Blick gezählt hatte, er habe keine Ahnung, was die Fässer auf seinem Wagen zu suchen hätten, sicher habe sich jemand einen Spaß erlaubt und sie daraufgestellt. Wenn der edle Herr wolle, könne er sie gern sofort haben.
    Vitus ließ die Fässer zur
Falcon
fahren, nachdem er festgestellt hatte, dass in dem einen Pökelfleisch war und in dem anderen eingelegter Kohl. Er war sehr zufrieden mit seinem Fang. Zu dem Kutscher sagte er: »Sollten sich wieder ein paar Fässer auf deinen Wagen verirren, vielleicht welche mit Frischwasser, mit Bohnen, mit Linsen, mit Salzfisch, gib mir Bescheid. Du findest mich in den nächsten Tagen stets an Bord der
Falcon.
«
    Der Kutscher grinste und meinte, er könne nichts versprechen, aber es gäbe sehr viele Zufälle im Leben.
    Vitus grinste ebenfalls und rief Hutch zu sich, denn er fand, dass es an der Zeit war, die auf dem Kai liegenden Rahen zu überprüfen. Leider war unter den Mannschaften niemand, der etwas von Schiffszimmerei verstand. So war er auf sein eigenes Urteil angewiesen, und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Die ledernen Ummantelungen, mit denen die Rahen vor der aggressiven Salzluft geschützt wurden, waren zerschlissen oder nicht mehr vorhanden. Das darunter befindliche Rundholz wirkte ausgetrocknet und rissig. Zumindest eine Ölung, um wieder Feuchtigkeit und Geschmeidigkeit in die Holzfasern zu bringen, war dringend vonnöten. Gelang das nicht, konnte eine Rahe wie ein dürrer Ast brechen und im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass die gesamte Takelage wie ein Kartenhaus zusammenbrach. »Haben wir Öl, um die Rahen zu behandeln?«, fragte Vitus.
    »Ich weiß nicht, Sir.« Hutch zuckte mit den Schultern. »Schmierfett ist da, Farbe auch. Vielleicht ginge es

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