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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wie an die Arbeit! Sämtliche Taue werden sauber aufgeschossen, die Decks blitzblank mit dem
Holy stone
geschrubbt, herumliegendes Zeug aufgeklart, alles hat an seinem Platz zu sein, spätestens morgen früh. Ja, ihr habt richtig verstanden: morgen früh. Wir werden im Vierstundentakt arbeiten und ruhen, wie auf See. Ist das klar?«
    »Aye, aye, Sir!«, kam es wie aus einem Mund.
    »Bevor ich es vergesse: Ihr sollt wissen, mit wem ihr es zu tun habt. Ich bin Vitus von Collincourt, der neue Schiffsarzt und Cirurgicus. Wir werden versuchen, die alten Zeiten aufleben zu lassen. Ich erwarte Captain Taggart in den nächsten Tagen an Bord. Wer ihn kennt, weiß, dass es besser ist – sehr viel besser ist! –, wenn er die
Falcon
tadellos in Schuss vorfindet. Und nun: Ran an die Arbeit! Hutch, Jack, ich ernenne euch hiermit zu Hilfsmaaten. Ihr teilt die Männer ein, ihr seid mir verantwortlich für alles! Lasst den Leuten nach jeweils vier Stunden etwas zu essen geben. Der Zwerg hält Brühe und Schiffszwieback bereit. Es herrscht absolutes Alkoholverbot! Ach, noch etwas: Sollte einer von euch eine Verletzung oder sonst ein Zipperlein haben, soll er sich bei mir melden. Er findet mich in der Kammer von Doktor Hall. Wegtreten!«
    Die Männer machten sich umgehend an die Arbeit, und Vitus dachte, während er Halls Kammer zustrebte, dass Matrosen wie junge Hunde waren: Sie brauchten klare Befehle und sicheres Auftreten, sonst spielten sie verrückt und tanzten einem auf der Nase herum. Pigett jedenfalls, dieser erbärmliche Verschnitt eines Offiziers, hatte sie nicht führen können. Es stand zu befürchten, dass sich das gesamte Ausmaß seiner Fehlleistungen erst in den nächsten Tagen zeigen würde.
    In Halls Kammer entzündete Vitus eine Kerze, setzte sich – und stand gleich wieder auf. Es hatte geklopft. »Herein!«
    »Verzeihung, Sir, ich hab da was.« In der Tür stand ein Matrose und deutete auf seine Hand.
    »Wie ist dein Name?«
    »Will, Sir.«
    »Gut, Will, zeig mal her.« Vitus zog die kranke Hand ins Licht und sah in der Innenfläche einen anderthalb Zoll langen Splitter stecken. Um den Fremdkörper herum war die Haut rotviolett und zum Bersten geschwollen. »Du hast Glück, Will, dass ich heute an Bord gekommen bin. Morgen, spätestens übermorgen, wären deine Säfte so sehr im Ungleichgewicht gewesen, dass wahrscheinlich nur noch eine Amputation geholfen hätte.«
    Will fuhr zusammen. »Is es so schlimm, Sir? Ich mein, ’s tut auch höllisch weh. Will meine Hand auf keinen Fall verlieren!«
    »Wir werden sehen, was sich machen lässt.« Vitus zündete weitere Kerzen an und stellte sie auf ein fest verschraubtes Tischchen. »Setz dich und leg die Hand auf den Tisch, Innenfläche nach oben. Ja, so. Ich sage dir jetzt, was ich machen werde. Ich werde mit dem Skalpell einen Schnitt direkt neben dem Splitter vornehmen, danach noch einen Schnitt quer, um die Haut aufklappen zu können. Anschließend werde ich den Übeltäter mit einer Pinzette herausziehen.«
    Will schielte ängstlich nach dem Skalpell. »Könnt Ihr den Splitter nich einfach so rausziehen, Sir?«
    »Das dürfte schwierig werden. Außerdem muss ich die Stelle öffnen, damit der Eiter und die kranken Säfte abfließen können.«
    »Ja, wenn’s so is.«
    Vitus antwortete nicht, sondern begann mit dem Eingriff. Halb drückend, halb schneidend drang er mit dem Werkzeug in das entzündete Gewebe. Will gab einen scharfen Laut von sich, hielt aber ansonsten still. Vitus arbeitete weiter, wobei er darauf achtete, keine Sehnen zu verletzen. Schließlich setzte er die Pinzette an und zog mit einer gleitenden Bewegung den Splitter heraus. »Jeder Fremdkörper ist leicht zu entfernen, wenn er genügend freipräpariert wurde«, sagte er dabei. Dann drückte er auf die geschwollenen Hautpartien, und ein Gemisch aus Eiter und Blut schoss hervor. Will konnte nicht mehr an sich halten und schrie auf.
    »Schon gut, Seemann.« Vitus drückte noch zwei weitere Male, bis er sicher sein konnte, dass alle schlechten Säfte aus der Wunde entwichen waren. Dann tat er Zinksalbe darauf und verband sie. »Die Verletzung wird in den nächsten Tagen noch nacheitern, aber das Schlimmste ist überstanden. Du meldest dich regelmäßig bei mir, damit ich die Wunde kontrollieren und versorgen kann.«
    »Aye, aye, Sir. Behalte ich jetzt die Hand?«
    »Das kann ich dir nicht versprechen. Sagen wir mal, es sieht nicht schlecht aus.«
    »Kann ich mich hinhauen, Sir, fühl mich ’n

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