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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vielleicht die wichtigste in dem ganzen kommenden Krieg, aber er hat es nicht für nötig befunden, die Instandsetzung meines Schiffs auch nur mit einem Halfpenny zu unterstützen.«
    »Da habt Ihr leider recht. Seht nur, Sir Francis ist ausgestiegen und schaut zu uns herüber. Und da steht noch ein zweiter Gentleman, es ist Lordadmiral Howard, sollten wir nicht doch besser …?
    »Nein! Wir schreiben heute den einundzwanzigsten Mai, bald ist Weihnachten, und wir kommen gerade erst aus diesem gottverdammten Hafen raus. Das alles verdanken wir einzig und allein der Gleichgültigkeit und der Untätigkeit jener Herren.«
    »Vielleicht haben sie noch eine wichtige Botschaft für uns, Sir?«
    »Und wenn schon. Dann hätte es ein Kurier auch getan. Der wäre auch früher hier gewesen. Nein, nein, die Herren wollen nur gucken. Tut mir leid, Gentlemen.« Taggart blickte grimmig drein und grüßte zu Walsingham und Howard hinüber.
    »Wir sind weg!«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    »Wir sin schon zwei oder drei Tage auf See«, sagte Odder tief unten im Schiffsbauch zu der Frau. »Manchmal schaukelt’s ganz schön. Haste’s schon mitgekriegt?«
    Die Frau schwieg. Aber sie aß von dem mitgebrachten Brei aus Rüben und Speck.
    »Den Fraß hat der Zwerch gemacht. Das is jetzt unser Koch, musste wissen. ’n Zwerch als Koch, das gab’s auch noch nich, aber schlechter als der davor isser auch nich. Der Koch heißt Enano, hab ich gehört. Enano is Spanisch un heißt Zwerch. Passt gut, nich?«
    Die Frau antwortete nicht.
    »Is ja auch egal, ob’s passt oder nich, nich? Ich heiß übrigens Odder, falls ich’s dir noch nich gesacht hab, un man nennt mich ›Ratte‹, kein schöner Name nich, aber hab mich dran gewöhnt. Ratten sin gar nich so dumm, wie sie aussehn, sin sogar ganz schön schlau. Musst dich mächtig anstrengen, wenn de eine fangen willst. Früher hab ich häufig welche geschnappt, wenn nix anderes zu fressen da war. Die schmecken nich schlecht. Wenn de nich weißt, dass de eine isst, merkste das gar nich. Vielleicht denkste, ’s is Wildschwein oder Karnickel oder so was, nich schlecht.«
    Die Frau schob die Schüssel von sich und legte sich wieder hin.
    »Wie heißt’n du mit Namen?«
    Die Frau streifte Odder mit einem Blick und drehte sich um.
    »Hast recht, Namen sin unwichtig. Ich hätt ja auch sagen können, ich heiß James oder Henry oder William oder so, un du hättst mir das auch geglaubt, un ich wär deshalb auch kein schlechterer Mensch gewesen. Kennste Aberdeen? Da hab ich früher die Ratten geschnappt, manchmal zehn un mehr am Tach, un hab se verkauft. Bin da auch aufgewachsen. Meinen Alten hab ich nie gesehn, un meine Mutter war ’ne Seeschwalbe im Hafen, wenn de verstehst, was ich mein. Irgendwann isse weggeflogen. Bin zwischen Fischresten aufgewachsen, weißte. Das sin so Reste, die bleiben beim Fischeschlachten über, Flossen un Schwänze un Gedärm un so. Mit den Fischblasen konnten wir Jungs prima spielen, ha’m sie uns über’n Pimmel rübergezogen un Pimmelfechten gespielt un uns halb schlappgelacht. Oh, ’tschuldigung, wollt nich unanständig wer’n. Aber’s war immer ’n fürchterlicher Gestank mit den Fischen. Wenn de den Gestank einmal an dir hast, wirste den nie nich mehr los. ’s is auch der Grund, warum ich immer etwas riech. Was soll’s, ’s gibt Schlimmeres. Schlimm is, wenn de jeden Tach Fisch fressen musst, weil nix anderes da is, der kommt dir zu den Ohren wieder raus, der Fisch, das sach ich dir, irgendwann kommt er dir zu den Ohren wieder raus. Wollte gern mal was anderes fressen als Abfälle, un da hab ich ’ne Arbeit angefangen, hab Fischkisten gebaut, das war ’ne üble Sache, ’s war’n nämlich Fischbretter, die se dafür genommen ha’m, un die stanken auch ganz erbärmlich.
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hat auf den Brettern draufgestanden, aber das weiß ich nur, weil’s mir einer gesacht hat, kann ja nich lesen. Kannste lesen?«
    Die Frau schien zu schlafen, aber das störte Odder nicht. Er nahm einen tiefen Zug aus der Weinkanne und rülpste vernehmlich. »Weißte, ich hab mich gefragt, was du wohl so früher gemacht hast, un ich hab mir gedacht, du bist innem Schloss aufgewachsen un hast immer satt zu essen gehabt un Bedienung un Spielzeug un Puppen un so was un musstest kein’ Fisch essen un konntest immer Braten un Fasan un so was essen un hast immer schöne Kleider gehabt, so richtig teure, wo jedes tausend Pfund kostet wie die Königin ihre, un dein Vater

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