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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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erstellen, Sir.«
    »So, so, dann beschäftigt Euch jetzt mal damit, dem Cirurgicus ein Glas Wein zu bringen. Und mir könnt Ihr noch einmal nachschenken.«
    »Aye, aye, Sir, ich …«
    »Nein, nicht nötig!«, fiel Vitus Tipperton ins Wort. Er dachte daran, dass Taggart schon um die Mittagszeit mit ihm und McQuarrie ein paar Gläser getrunken hatte, und meinte, nun doch einschreiten zu müssen. Er versuchte es mit einer Andeutung. »Rheinwein geht mir zu sehr auf die Knie.«
    Taggart zog die Stirn in Falten. »Euch vielleicht, mir nicht.«
    »Aye, Sir.« Vitus gab sich dieses Mal geschlagen. Augenblicke später stellte Tipperton ihm ein Glas vor die Nase. »Wohl bekomm’s, Sir.«
    »Danke, Tipperton.«
    »Können wir jetzt endlich?« Taggart schaute auffordernd in die Runde. »Wir trinken auf eine glückliche und erfolgreiche Reise, äh, und natürlich auf eine schnelle!
Cheers!
«
    »Cheers!«
    »
Assusso!
Glatten Schein un grandig Schwein!«
    Taggart schnaufte. »Das tat den alten Knochen gut! Wo ist Tipperton? Schon wieder fort? Meinetwegen. Aber wo er gerade sagte, er fertige die Mannschaftsliste an, Cirurgicus, muss ich Euch eröffnen, dass Ihr Euch leider verzählt habt.«
    »Ich verstehe nicht, Sir?«
    »Wir haben keine dreißig Mannschaftsdienstgrade an Bord, sondern nur neunundzwanzig, also einen weniger.«
    »Einen weniger?« Vitus war sicher, sich nicht verzählt zu haben. Dann fiel ihm ein, dass Odder, den er in das Gatt mit dem Takelwerk hatte sperren lassen, einige Zeit später verschwunden war. Seitdem trieb der Kerl sich bestimmt irgendwo herum. »Es gibt da einen Mann, um den es sich handeln könnte, Sir. Odder ist sein Name. Leider ist er ein Säufer, der es gut versteht, sich unsichtbar zu machen und vor der Arbeit zu drücken.«
    »Aha. McQuarrie!«
    »Sir?«
    »Suchen lassen, den Mann.«
    »Aye, aye, Sir!«

[home]
    Die »Ratte« Odder
    »Ja, das isses, das hab ich immer im Suff gehört. Weinst häufig, was? Bist verzweifelt, wie? Brauchst keine Angst nich haben, vor Odder braucht keiner Angst nich haben. ’n Verlorener tut ’ner Verzweifelten nix! Selbst wenn ich Lust hätt, es mit dir zu treiben, würd ich’s nich tun, Ehrensache, verstehste?«
    E s war ungefähr drei Wochen her, dass Odder den Weg vom Land aufs Schiff gefunden hatte. Und fast genauso lange lag es zurück, dass er den Schlüssel entwendet hatte. Es war ein Universalschlüssel, der dem Koch gehört hatte, bevor dieser die
Falcon
auf Nimmerwiedersehen verließ.
    Seit dieser Zeit ging es Odder gut. Jede Tür öffnete sich ihm, und die Sorge um sein tägliches Quantum Wein, die ihn früher so oft geplagt hatte, gehörte der Vergangenheit an. Auch Nahrung, wo immer sie sich befand, war ihm jederzeit zugänglich, aber aus Nahrung machte er sich wenig. Wie jeder echte Säufer trank er lieber, als dass er aß.
    Er war bis auf die Knochen abgemagert und pflegte Tag und Nacht vor sich hin zu dämmern, und wenn er irgendwann einmal aus seinem Halbschlaf erwachte, überkam ihn das große Zittern. Dann stand er auf, horchte auf die Geräusche im Schiff und machte sich, wenn die Luft rein war, auf die Suche nach etwas Trinkbarem. Manchmal war er dabei so schwach, dass er vorübergehend wieder einschlief. Bei dieser Gelegenheit war er das eine oder andere Mal überrascht und fast zur Arbeit eingeteilt worden, aber er hatte sich immer wieder rechtzeitig drücken können.
    Am besten war es immer gewesen, wenn sich die gesamte Mannschaft betrank, dann fiel es nicht weiter auf, dass er sich unter sie mischte. Aber seit einigen Tagen wehte ein anderer Wind an Deck, und die Geräusche sprachen dafür, dass die
Falcon
demnächst wieder unter Segel gehen würde.
    Odder war das gleich. Hauptsache, er hatte den Schlüssel. Mit seiner Hilfe ließ sich immer und überall ein Schlückchen finden.
    Und manchmal fand sich auch etwas anderes.
    Ein paar Tage nur war es her, dass er die Frau gefunden hatte. Das heißt, von »gefunden« konnte eigentlich keine Rede sein. Er war auf sie gestoßen, als er sich wieder einmal verstecken musste, um nicht von irgendwelchen Leuten zum Dienst eingeteilt zu werden.
    Die Tür hatte er zunächst überhaupt nicht gesehen. Nicht, weil es zu dunkel war – er hatte einen Kerzenstummel dabei –, sondern weil sie so verborgen lag, tief unten neben dem Rohrende der Bilgenpumpe. Er hatte gekichert vor Freude über das willkommene Versteck und zur Sicherheit die Kerze gelöscht. Dann war er hineingekrochen in die

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