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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wär’n Fürst un deine Mutter ’ne Fürstin, un du wärst ’ne Prinzessin, hihi, ’tschuldigung, bin etwas albern.«
    Odder trank einen weiteren Schluck. »Mach dir nix draus, war’n ja nur so Gedanken. Aber manchmal musste als armes Schwein so was denken, sach ich immer, sonst wirste verrückt. Verrückt wirste sonst …«
    Odder schlief ein.
    Als er erwachte, war die Kerze heruntergebrannt. Sie lag gelöscht im Stroh. Er fand sie nur, indem er mit der Hand nach ihr tastete. Dabei stieß er gegen die Frau. Er glaubte, ihre Brust berührt zu haben, und erschrak. »’tschuldigung, beim Leben vom lieben Jesus, das wollt ich nich! Bist doch meine Verzweifelte un sollst nich noch verzweifelter wer’n! Weißte, was, ich verdünnisier mich jetzt, muss nur aufpassen, dass se mich nich erwischen, ha’m mich schon’n paarmal gesucht, die Hunde. War nett mit dir. Warte, ich mach wieder Licht. Is der Eimer schon wieder voll? Ich leer ihn aus, un morgen bring ich ihn wieder mit.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    In den folgenden Tagen zogen stürmische Winde auf, sie kamen aus verschiedenen Richtungen, heulten durch die Takelage und peitschten Gischt über die Wogen des Meers. Für einen Renner wie die
Falcon
war es genau das richtige Wetter, um beachtliche Etmale zu erzielen. Doch sie arbeitete sich nur langsam nach Süden vor, denn Taggart ließ einen ausgeprägten Zickzackkurs steuern, um die Biskaya in ihrer gesamten Breite ausspähen zu können. Er hatte befohlen, die Ausgucks Tag und Nacht zu besetzen, und für diese Arbeit die Männer mit den besten Augen abgestellt.
    Aber die Armada ließ sich nicht blicken.
    Taggart, den alten Fuchs, machte das nicht ruhiger. Ständig fragte er sich, wo der Feind steckte, ob er noch kommen würde oder ob er ihn schon verpasst hatte. »Unsichtiges Wetter!«, fluchte er ein ums andere Mal und wich nicht von seinem Kommandantendeck, dem höchsten Punkt auf dem Achterschiff.
    Der Sturm und die rauhe See forderten seinen Kräften das Äußerste ab, aber er schonte sich nicht – und die Mannschaft erst recht nicht. An allen Ecken und Enden fehlten Matrosen: an den Brassen ebenso wie beim Setzen und Reffen der Segel, am Kolderstab für die Steuerung, in den Ausgucken, bei der täglichen Wartung. Der Mangel wäre nicht ganz so erheblich gewesen, hätte nicht die Notwendigkeit bestanden, mehr als die Hälfte der Männer in die Geheimnisse der Geschützbedienung einzuweisen. Schlimmer noch: Wegen des Wetters konnte das Exerzieren sich nur auf Trockenübungen beschränken, was bei dem Rollen und Stampfen des Schiffs oftmals albern genug aussah, und selbst dem grimmigen Taggart hier und da ein Lächeln entlockte.
    Dennoch war es alles andere als ein Witz, wenn die Männer bei schwerer See mit Schwabbern und Ladestöcken in der Hand hin und her torkelten, vergebens an den Brooktauen der Culverines Halt suchten und über alledem eine mehr als fragwürdige Figur machten.
    »Poseidon, Poseidon!«, fluchte Taggart. »Kneif endlich die Arschbacken zusammen und lass weniger Winde wehen! Meine Männer müssen schießen lernen, Scharfschießen lernen!« Dabei beugte er sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf der Reling ab, um die Belastung seiner Knie zu mindern. Die vermaledeiten Gelenke taten mittlerweile so weh, als hätte Professor Banester nur ein paar Beschwörungsformeln und nicht seine ganze Kunst auf ihre Genesung verwendet. Aber für Gejammer war jetzt keine Zeit. Die
Falcon
hatte einen Auftrag übernommen, und dieser Auftrag war auszuführen. Koste es, was es wolle.
    »Autsch!«, entfuhr es Taggart, denn ein rasender Schmerz schoss ihm durch die Beine. Eine Quersee hatte den Bug der
Falcon
jählings angehoben und so den Druck auf seine geplagten Gelenke nochmals erhöht. »McQuarrie!« Taggart formte die Hände zu einem Trichter, um besser gegen den Sturm anschreien zu können. »McQuarrie!«
    Der drahtige Schotte hangelte sich über die Strecktaue auf dem Hauptdeck heran. »Sir?«
    »Übernehmt mal für eine Weile. Ich, äh, ich muss mal einer menschlichen Regung nachgeben.«
    »Aye, aye, Sir.« Der Schotte strahlte. Was Taggart da eben angeordnet hatte, stellte eine besondere Anerkennung dar. Es kam so gut wie niemals vor, dass der Kommandant seinen angestammten Platz räumte.
    Taggart rang sich ein Lächeln ab und quälte sich den Niedergang hinunter, wobei er seinem Schöpfer dankte, dass der Grund für sein Hinken auf das Schwanken des Decks zurückgeführt werden

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