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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ein.
    Als er aufwachte, brannte die zweite Kerze. Jemand musste sie entzündet haben, denn von allein konnte sie nicht brennen. Odder kramte in den Windungen seines Verstands und kam darauf, dass es die Frau gewesen sein musste. »Das is gut«, gähnte er. »Hast Licht gemacht. Haste auch was gespachtelt? Nee, haste nich? Denn nich. Jeder muss selber wissen, was er will. Ich lass dir das Fressen da. Wenn de willst, nimmste später davon. Ich hau jetzt ab, muss woanders noch mal nach’m Rechten sehn. Brauchst keine Angst nich haben, ich komm wieder. Ich nehm den Scheißeimer mit un leer ihn für dich aus, is ja schon ganz voll, das Ding. Brauch dir nich peinlich sein, jeder muss mal auf’n Topf, sogar die Königin. Wenn ich geh, schließ ich’s Schloss wieder ab, aber brauchst keine Angst nich haben, is nur für deine Sicherheit, un die Ratten können auch nich rein zu dir.«
    Odder legte seine Hand zaghaft auf die Schulter der Frau. »Mach dir keine Sorgen nich, ich komm wieder.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Als der Befehl »Leinen los!« ergangen war und die Springtaue vorn und achtern gelöst wurden, stand Taggart mit Vitus an der Querreling des Kommandantendecks und legte wie immer seine Hand auf das Holz. »Lange her, dass ich mein Schiff gespürt habe«, knurrte er. »Viel zu lange. Aber jetzt ist wieder Leben darin.«
    »Aye, Sir.« Vitus packte ebenfalls die Reling, fühlte aber nichts als frisch geschmirgeltes, gut lackiertes Holz.
    »Die Zimmerer Jim und Tom haben gute Arbeit geleistet, das habe ich ihnen auch schon gesagt.« Taggart beobachtete McQuarrie, der auf dem Galion stehend das Ablegemanöver leitete. Obwohl der Wind günstig blies, hatte er alle Hände voll zu tun, die
Falcon
sauber vom Kai fortzumanövrieren und ins Fahrwasser zu bringen. Aber der drahtige Schotte war eine altgediente Teerjacke und hatte seine Männer gut im Griff.
    Das sah auch Taggart, der trotz seiner Plauderei mit Vitus wie ein Schießhund aufpasste, ob alles nach guter Seemannschaft ablief. Ein Schiff, das den Hafen verließ, zog immer Hunderte von neugierigen Blicken auf sich, und wehe dem Kommandanten, der dabei eine schlechte Figur machte. »Manchmal hätte ich mir allerdings Colby hergewünscht.«
    »Colby, Sir?«
    »Meinen alten Zimmermann. Der Kerl hatte gesegnete Hände. Es gab nichts, was der nicht bauen oder reparieren konnte … He, McQuarrie, bringt das Schiff mehr an den Wind!« Ganz konnte Taggart es doch nicht lassen.
    »Aye, aye, Sir!«, brüllte der drahtige Schotte und gab die entsprechenden Befehle.
    »Was wurde aus Colby, Sir?«
    »Keine Ahnung, Cirurgicus. Das ist es ja gerade. Er verließ meine
Falcon
wie so viele andere, kaum dass ich ihr den Rücken gekehrt hatte … Mehr Backbordruder! … Vielleicht weilt er auch nicht mehr unter den Lebenden. Er war schon achtundvierzig Jahre alt.«
    »Schon achtundvierzig?« Vitus grinste.
    »Ich weiß, was Ihr denkt. Ihr denkt, das sagt einer, der bereits dreiundsechzig ist.«
    »Und vielleicht gut daran getan hätte, sich neue Knie von seinem Zimmermann bauen zu lassen«, scherzte Vitus nicht ohne Absicht.
    Taggart schaute verblüfft. »Den Gedanken hatte ich tatsächlich ein paarmal, Cirurgicus, obwohl es natürlich Unsinn war. Nebenbei: Was spielt Ihr eigentlich dauernd auf meine Knie an? Sie sind wieder in Ordnung. Könnten gar nicht besser sein. Professor Banester scheint da ein paar Sehnen oder Knorpel oder weiß der Teufel was kunstvoll zusammengespleißt zu haben.«
    »Sind sie wirklich in Ordnung, Sir?«
    »Nun ja.« Taggart zögerte. Dann schoss plötzlich seine Hand vor. »Seht mal da an Land, Cirurgicus. Scheint so, als hätte uns jemand noch besuchen wollen.«
    Vitus’ Augen folgten der angegebenen Richtung und entdeckten einen prächtigen Reitertrupp, der eine Kutsche eskortierte. »Dem Wappen nach ist es die Kutsche von Sir Francis.«
    »Was, Drake? Was will der denn?«
    »Ich meine Francis Walsingham, Sir, den Staatssekretär und Geheimdienstchef Ihrer Majestät.«
    »Ach so, ach so.« Taggart ärgerte sich über sein schwächer werdendes Augenlicht. »Der Mann, dem wir unsere Mission verdanken. Nett, dass er zu unserer Verabschiedung gekommen ist.«
    »Wollt Ihr nicht lieber noch einmal anlegen, Sir?«
    Taggart schnaufte. »Der Abstand zwischen uns und dem Kai beträgt mindestens schon hundertfünfzig Yards. Der hohe Herr kommt zu spät, wir segeln weiter.«
    »Aber Sir!«
    »Walsingham hat uns eine wichtige Aufgabe gegeben,

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