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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Knie werden weniger beansprucht werden.«
    Taggart stöhnte in komischer Verzweiflung: »Hacken aus Hanf, so weit ist es also schon gekommen! Ihr macht noch einen Narren aus mir.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Odder schaute beim Schein der Laterne in die Spiegelscherbe und fand, dass er eigentlich gar nicht so schlecht aussah. Gewiss, seine Haare waren etwas lang und etwas wirr, auch die dunklen Ränder unter den Augen machten ihn nicht jünger und die zwei scharfen Falten neben den Nasenflügeln auch nicht, aber sonst sah er ganz passabel aus. Was eine Rasur doch gleich ausmachte!
    Fast eine Stunde lang hatte er sich mit dem Schermesser abgequält und sich ein paarmal geschnitten, aber wenigstens das Wasser war warm gewesen. Er hatte es dem Zwerg abgeschwatzt, der seit einiger Zeit als Koch auf dem Schiff arbeitete. Der Zwerg war der Einzige, mit dem er ab und zu sprach. »Was, heißen Plempel willste?«, hatte der Gnom gefistelt. »Da könnt ja jeder kommen. Für nix gibt’s nix.«
    Odder war nichts eingefallen, was er dem Zwerg hätte geben können. Schließlich hatte er gesagt: »Ich würd dir ’n paar Geschichten erzähln, die haste noch nie nich gehört, echt gute Geschichten.«
    »Willst Meisen trällern lassen? Dass ich nich schmeiche! Kenn selbst jede Menge Meisen, nich zu knapp. Aber wenn de schon mal da bist, hier, stech dir den Plempel un verblüh.«
    So war Odder an das heiße Wasser für seine Rasur gekommen, ganz ohne Gefahr, verraten zu werden. Denn die Verlorenen, zu denen er auch Zwerge mit Buckel zählte, hielten überall auf der Welt zusammen.
    Noch einmal blickte er in die Scherbe, schnitt eine Grimasse und machte sich auf den Weg zu der Frau. Tief unten neben dem Rohrende der Bilgenpumpe schloss er die Tür auf und begrüßte sie: »Ich bin’s wieder, Odder. Hab mich zwei Tage nich sehn lassen, oder waren’s drei? Is egal, ’s ging nich anders, is viel zu viel Unruhe im Schiff, weißte. Dauernd üben se mit den Kanonen, das rummst un bummst, dass dir Hören un Sehen vergeht. Außerdem ha’m se mich schon wieder gesucht, musste höllisch aufpassen, ha’m gemerkt, dass ich fehl, aber Odder is schlau, da brauchste nich bange sein, mich kriegen se nich. Den ganzen Tach üben se an den Kanonen, jetzt, wo’s Wetter besser geworden is, dabei is gar kein Feind zu sehn, un richtig schießen tun se auch nich. Un mit’n Segeln üben se auch immer, Segel rauf un runter, dabei is der Wind immer gleich, rauf un runter, warum, weiß ich auch nich, bin ja kein Seemann nich.«
    Die Frau räusperte sich, als wolle sie etwas sagen, sagte aber nichts.
    »Vielleicht wunderste dich, dass ich rasiert bin, aber ’s war mal wieder nötich, sonst hätt ich’s ja nich gemacht. Hatt sogar warmes Wasser dafür, hab an dich gedacht, ’n bisschen warmes Wasser würd dir auch guttun, ich mein, für die Haut, ’s wär doch angenehm auf der Haut, nich?«
    Die Frau strich sich mit einer trägen Bewegung über die Wange.
    »Gegessen haste auch wieder nix, oder? Na ja, ’n bisschen. Aber so geht das nich, das sach ich dir, auf die Dauer geht das so nich. Fällst mir ja noch ganz vom Fleisch. Hab dir Zwieback mitgebracht, Zwieback vom Zwerch. Dem Koch, weißte. Is ganz nett, der Kleine, hat’n Buckel un is’n Freund von diesem Cirugu …, äh, Arzt. Aber sonst isser nett. Is auch’n Verlorener. Der Zwieback is gut, zweimal gebacken, un die Maden hab ich alle schon rausgeklopft. Willste mal probiern? Nee? Auch gut. Früher mocht ich auch keinen Zwieback, wo mal Maden drin war’n. Vielleicht überlegste dir’s noch mal. Wart, ich mach die Tür schnell zu, weißt ja, damit uns keiner sieht, man weiß ja nie. Kennste die Kneipe
Proud’s Flag
in Southampton? Is eigentlich gar keine Kneipe, is’n Puff, da hab ich mal drin gearbeitet. Hab mich ganz gut mit der Puffmutter, Mrs.Proud, verstanden, nee, nich so, wie du jetzt denkst. Hab die Zimmer saubergemacht un die Flecken vonner Bettwäsche weggemacht, weil die immer für vier Wochen war, un hab den Mädels zu fressen geholt un mir ihre Geschichten angehört. Manche sin gar nich so übel, ich mein die Mädels, gar nich so übel sin die, eine war mal da, mit der hätt ich gern mal, äh, du weißt schon, aber sie wollt nich. Nach’n paar Tagen hab ich sie noch mal gefragt, aber sie hat gemeint, sie hätt grad Kopfschmerzen, un beim dritten Mal war’s der Rücken, un beim vierten Mal war’s der Magen, un beim fünften Mal warn’s ihre Tage, immer hatte sie

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