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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gekabbelt, Sir.«
    »Mit wem?«
    »Kann mich nicht mehr erinnern, wer’s war, Sir.«
    »Aha. Nun gut. Das lass mal den Captain nicht hören, dass du dich mit einem Kameraden geprügelt hast.«
    »Prügeln wär zu viel gesagt, Sir, war nicht schlimm, die Sache, ’ne kleine Meinungsverschiedenheit, mehr nicht, wär sonst ja auch viel früher zu Euch gekommen.«
    Vitus tastete die Schulter ab, wobei Chock vernehmbar die Luft durch die Zähne zog. »Du hast eine seltsame Logik, Chock.«
    »Sir?«
    »Lass gut sein. Wie ist es passiert?«
    »Bin umgefallen, Sir, wollte mich mit dem Arm abstützen, und plötzlich hat’s ›knack‹ gemacht, und der Arm hing nebenbei.«
    »Deine Schulter ist ausgerenkt. Zum Glück offenbar das Einzige, was dir bei deiner ›Kabbelei‹ passiert ist. Ich werde sie dir wieder einrenken. Gleich jetzt, damit keine Nerven und Gefäße Schaden erleiden. Leg dich der Länge nach auf den Boden, den Rücken nach unten, und bleibe ganz ruhig.«
    Chock, ein kräftiger Kerl mit buschigen Brauen und stark behaarter Brust, folgte der Anweisung umgehend.
    »Wir machen es nach der Art, die schon Hippokrates empfahl, es kann dir also gar nichts passieren.«
    »Aye, Sir.« Chock war anzusehen, dass der Name Hippokrates ihm nichts sagte.
    Vitus trat neben ihn und wollte die Behandlung beginnen, wurde aber von einem Klopfen unterbrochen. Ärgerlich blickte er zur Tür. »Ja?«
    »Verzeihung, Sir, ich bin Mahon, der Stückmeister.«
    »Und, was gibt’s?«
    »Laut Decksplan, Sir, befindet sich in diesem Raum eine Luke, die nach unten in den Bilgenraum führt. Wir müssten die Bilgenbretter mal lösen, um zu sehen, ob sich im Ballast die eine oder andere Kanonenkugel findet.«
    »Was? Wie?« Vitus wurde immer ungehaltener, doch Mahon beschwichtigte ihn und erklärte genau die Hintergründe seiner Absicht. Schließlich hatte Vitus verstanden. »Schön und gut, das könnt Ihr alles später machen, ich bin mitten in einer Behandlung, wie Ihr seht. Und nun stört mich nicht länger.«
    »Aye, aye, Sir!« Mahon machte, dass er hinauskam, und Vitus trat abermals neben Chock. Er umfasste mit beiden Händen die Hand des verletzten Arms und hob ihn leicht an. Chock trat vor Qual der Schweiß auf die Stirn, aber Vitus achtete nicht darauf. Wer sich prügeln konnte, konnte auch Schmerzen ertragen. Dann stemmte er seinen Fuß in die Achselhöhle und zog gleichzeitig an dem Arm – kraftvoll und stetig. Chock stöhnte lauter, doch kurz danach gab es ein dumpfes Geräusch, ein Zeichen dafür, dass der Oberarmkopf in die Pfanne zurückgehebelt worden war. »Kannst du den Arm wieder bewegen?«
    Chock biss die Zähne zusammen und versuchte es. Es ging. »Aye, Sir.«
    »Schön.« Vitus half Chock auf die Beine. »Du wirst den Arm fürs Erste in einem Dreieckstuch tragen müssen, bis er wieder voll einsatzfähig ist.«
    »Wie lange muss denn das sein, Sir?«
    »Das werden wir sehen.« Vitus kannte die genaue Antwort nicht und nahm sich vor, bei Gelegenheit im Werk
De morbis
nachzublättern. »In jedem Fall kannst du noch keinen vollen Dienst versehen. Lass dir von Mister McQuarrie oder von Mister Dorsey eine leichte Arbeit zuweisen.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Vitus war drauf und dran, Chock zu entlassen, entschloss sich dann aber doch, ihm die Fragen zu stellen, die er in den vergangenen Tagen schon an viele von Chocks Kameraden gerichtet hatte. »Fühlst du dich sonst ganz gesund, Chock?«
    »Aye, Sir.«
    »Was ist mit den Verrichtungen im Garten?«
    »Mit den Verrichtungen …? Ach so, alles in Ordnung, Sir.«
    »Kein Dünnschiss?«
    »Nein, Sir.«
    »Keine Schmerzen beim Wasserlassen?«
    »Nein, Sir.«
    »Keine Juckstellen, keine Krätze?«
    »Nein, Sir.«
    Es gab noch eine Reihe weiterer Fragen, aber Chock beantwortete alle zufriedenstellend, und Vitus entschied, es damit bewenden zu lassen. Die Inaugenscheinnahme verborgener Körperteile mochte für heute entfallen. »Gut, Chock, dann melde dich wieder an Deck.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Chock war fort, und Vitus griff zum Buch
De morbis,
um bei Hippokrates nachzuschlagen und zu erfahren, wie lange ein ausgerenkter Arm in der Regel Schonung brauchte. Er blätterte hin und her, doch dann fiel ihm ein, was Mahon gewollt hatte, und er blickte hinunter auf die Bodenplanken zu seinen Füßen. Richtig, da gab es eine Luke. Ohne weiter zu überlegen, nahm er eine Laterne und leuchtete die Stelle ab. Die Luke hatte einen eingelassenen Griff. Er zog daran, und der Deckel klappte nach oben

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