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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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vielleicht finden wir ein paar Geschosse.«
    M ahon, der neuernannte Stückmeister, stand bei den Backbord-Culverines und schrie mit Stentorstimme: »Klar bei Brooktauen, Taljen abschlagen!«
    Reffles, ebenfalls neu ernannt zum Stückmeister, stand bei den Steuerbord-Culverines und brüllte dasselbe.
    Beide Männer trieben ihre Geschützbedienungen zu äußerster Geschwindigkeit an, es ging um die Zeit, und es ging um die Ehre, welche Seite die schnellere war.
    Die Matrosen waren mit Feuereifer bei der Sache, auch wenn sie die Übungen nach wie vor nur trocken absolvierten. Keinen einzigen scharfen Schuss hatte die
Falcon
bisher abgegeben.
    »Kanonen richten!« – »Pfropfen raus!« – »Kartuschen rein!« – »Kugeln rein!« – »Kanonen ausrennen!« – Pulverladungen klar!« – Lunten klar!« … So ging es Schlag auf Schlag seit einer Stunde, eine überaus schweißtreibende Tätigkeit, bei der abwechselnd mal Mahon und mal Reffles mit seinen Matrosen die Nase vorn hatte und »Culverines feuerbereit, Sir!« melden konnte.
    Taggart stand mit säuerlicher Miene auf dem Kommandantendeck, den Knotenmesser in der Hand, und stellte fest, dass die Prozedur vom Richten der Kanonen bis zur Meldung »feuerbereit!« ungefähr drei Minuten dauerte. Das war keine schlechte Zeit, aber was sie wirklich wert war, würde sich erst im Gefecht erweisen.
    Mahon und Reffles befahlen eine Pause und baten um die Erlaubnis, das Kommandantendeck betreten zu dürfen.
    »Erlaubnis erteilt!«, bellte Taggart. »Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden mit dem Tempo, auch wenn ich schon schnellere Crews gesehen habe.«
    »Mit Verlaub, Sir, wir sind nicht zufrieden«, entgegnete Mahon.
    »Nein, Sir, das sind wir nicht«, sagte Reffles.
    »Wie bitte?« Diese Reaktion kam für Taggart überraschend. Noch nie hatte er erlebt, dass Untergebene freiwillig ihre Leistung in Frage stellten. »Und darf man erfahren, warum?«
    »Gewiss, Sir«, sagte Mahon. »Wir denken, die Drei-Minuten-Zeit ist erst dann von Wert, wenn sie unter Gefechtsbedingungen erzielt wird.«
    »Ja, das denken wir«, bekräftigte Reffles.
    Zu der Erkenntnis war Taggart auch schon gekommen. »Dann werdet eben etwas flinker, Gentlemen, damit wir sicher sein können, dass Eure Crews im Ernstfall schnell genug sind.«
    »Das wäre möglich, Sir, aber nicht wirklichkeitsnah«, versetzte Mahon. »Wir müssten das Scharfschießen üben.«
    Taggart schnaufte und ahnte, worauf das Gespräch hinauslief. »Wir haben sehr wenig Munition, Gentlemen.«
    »Bei allem Respekt, Sir« – jetzt war wieder Reffles an der Reihe –, »nur beim scharfen Schuss entsteht ein Rückstoß bei den Kanonen, und nur dann legt sich das Schiff nach Feuerlee über.«
    Mahon fiel ein: »Jawohl, Sir. Das bedeutet erschwerte Bedingungen für die Männer. Sie müssen die gewohnten Handgriffe bei starker Rollbewegung durchführen, eine Situation, die wir so nicht simulieren können.«
    »Das weiß ich. Aber wir müssen mit den Kugeln knausern. Auch Euch dürfte bekannt sein, dass es ganz England an Kanonenkugeln mangelt, und meine
Falcon
macht da keine Ausnahme. Was nützt die eingespielteste Crew im Kampf, wenn ihr die Munition fehlt. Lieber schlecht geübt ohne Kugeln, als gut geübt mit Kugeln, die uns später fehlen. Ist das klar!«
    »Aye, Sir. Aber wir haben uns da was überlegt«, sagte Mahon.
    »Bei allen Stachelskorpionen, was ist denn jetzt noch?«, blaffte Taggart und sah, wie seine Stückmeister die Köpfe einzogen, dann aber Luft holten, um eifrig und im Wechsel ihre Überlegungen hervorzusprudeln: »Ballast, Sir, wir haben an den Schiffsballast gedacht.« – »Er besteht fast immer aus Steinen, Sand und Kanonenkugeln, Sir!« – »Wir sollten nachsehen, Sir, vielleicht finden wir ein paar Geschosse.«
    »Sackerment!« Daran hätte Taggart zuallerletzt gedacht. Dennoch hatte die Idee etwas für sich. Eine ganze Menge sogar, wenn man bedachte, dass bei der Suche nichts zu verlieren war. »Ich bin einverstanden. Probiert Euer Glück, Männer, schnappt Euch Eure Crews und ab mit Euch nach unten.«
    »Danke, Sir!«
    Taggart dachte an den pestilenzialischen Gestank über der Bilge und grinste sein schiefes Grinsen. »Viel Spaß.«
     
     
     
    »Warum bist du damit nicht früher zu mir gekommen?«, fragte Vitus vorwurfsvoll. Er befand sich in seinem Behandlungsraum tief unten im Schiff und betrachtete den herabhängenden Arm von Chock, einem Veteranen der
Falcon.
    »Hab mich’n bisschen

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