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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Golden? Vitus schluckte. Die Bilder des Traums erschienen vor seinem geistigen Auge. Das Vlies. Isabella. Ihr Mund. War das wirklich nur ein Traum gewesen? Großer Gott, wenn es kein Traum gewesen war, was war es dann?
    »Du warst lange bewusstlos.« Isabella schien spöttisch zu lächeln.
    »Wie lange?«
    »Den Abend und die ganze Nacht.« Wieder dieses Lächeln. »Hattest du angenehme Träume?«
    »Ich …«
    Es klopfte laut gegen die Tür. »Cirurgicus, Sir? Ich bin’s, McQuarrie, geht es Euch gut? Darf ich reinkommen?«
    »Ja! Nein! Ich meine … Augenblick …« Vitus nahm alle Kraft zusammen und setzte sich auf.
    Isabella wollte ihm Einhalt gebieten, öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Niemand durfte wissen, dass Vitus nicht allein in seiner Kammer lebte.
    Er stand auf und kämpfte das Schwindelgefühl nieder. Isabella wollte ihn stützen, aber er schob sie beiseite. In seinem Kopf hämmerte es. Er atmete tief ein und öffnete die Tür. Ohne dass McQuarrie einen Blick in die Kammer werfen konnte, trat er hinaus.
    Der drahtige Schotte erschrak. »Sir, Ihr seid ja bleich wie der Mond!«
    »Nicht der Rede wert. Ein wenig frische Luft, dann geht es wieder.« Vitus schleppte sich an die Reling.
    »Mit Verlaub, Sir, Ihr habt einen herunterfallenden Block auf den Kopf gekriegt, damit ist nicht zu spaßen. Ihr habt eine Beule, die es an Größe mit einem Hühnerei aufnehmen kann.«
    Vitus antwortete nicht. Er spürte, wie gut ihm die frische Seeluft tat. »Eigentlich müssten wir alle bei den Fischen sein. Wo ist der Spanier geblieben?«
    »Hat sich mit eingeklemmtem Schwanz davongemacht, Sir!« McQuarries Gesicht war der fleischgewordene Triumph. »Nachdem Ihr das dritte Mal ›Alle
Falcons
aufs Kommandantendeck!‹ befohlen hattet, kamen plötzlich Mahon und Reffles mit ihren Männern vom Batteriedeck herauf. Sie hatten bis dahin weiter den Rumpf des Spaniers beharkt und Euch nicht gehört. Sie waren zu neunt und griffen die Dons im Rücken an, während wir von oben weiter auf sie einhieben. Das verwirrte sie. Kampf gegen zwei Fronten! Wir bemerkten ihre Unsicherheit, uns erwuchsen noch einmal Riesenkräfte. Irgendeiner stimmte wieder unser Lied an, und gemeinsam trieben wir sie zurück auf ihren Kahn. Sie machten, dass sie davonkamen, mehr schlecht als recht, denn ihr Rumpf sah aus wie ein löchriger Käse.«
    »Bei dem, was die
San Juan
abbekommen hat, hätte sie eigentlich sinken müssen.«
    »Das dachte ich auch, Sir, bis ich sah, dass sie fünffach geplankt ist. Die hält was aus, sag ich Euch. Wenn’s nicht so wäre, hätte sie sich uns gar nicht nähern können.«
    »Nun gut.« Vitus fühlte sich etwas besser. Der bohrende Schmerz im Kopf war noch da, aber das Schwindelgefühl war fort. »Wie geht es Captain Taggart?«
    »Er war lange Zeit ohnmächtig wie Ihr, Sir. Seit er wieder wach ist, trinkt er Rheinwein und beißt vor Schmerz in die Deckel eines Buchs. Er scheint froh zu sein, dass alles glimpflich ausgegangen ist, aber fluchen tut er trotzdem.«
    »Irgendwelche Männer, die schwer verletzt sind?«
    »Ich glaube nicht, Sir. »Wir haben dreizehn Tote zu beklagen, darunter Arch, den Flötenspieler, Tom, den Zimmermann und Gerry, den ewig Kranken. Am schlimmsten aber ist, dass es auch Dorsey erwischt hat, Sir. Hab selbst gesehen, wie er am Schluss gegen drei Dons focht. Er war ohne jede Chance, denn sie hatten ihn zwischen Beiboot und Lukenaufbau gestellt. Er saß wie ein Fuchs in der Falle. Er war mein Freund.«
    »Das tut mir wirklich sehr leid für Euch, McQuarrie. Der Dienst wird dadurch für Euch nicht leichter.«
    »Ach, wenn’s nur der Dienst wäre, Sir.«
    »Ich weiß, ich weiß …« Weil McQuarrie von seinem Freund gesprochen hatte, musste Vitus an Enano denken. »Was ist mit dem Zwerg?«
    »Unserem Suppenkasper, unserem kleinen
Jack Pudding?
Der scheint sieben Leben zu haben, Sir. Man sagte mir, immer, wenn der Feind ihn greifen wollte, hätte er sich rechtzeitig unter seinen Töpfen versteckt, und immer, wenn der Feind wieder abgezogen war, hätte er weitergetrommelt.«
    Vitus atmete auf. Gott sei Dank war dem Winzling nichts passiert. »Und wie viele Verletzte haben wir?«
    »Nicht viele, Sir, nur fünf, weil alle bis zum letzten Atemzug gekämpft haben.«
    »Ich sehe sie mir später an. Bitte lasst meine chirurgischen Instrumente aus dem Orlopdeck holen und sorgt dafür, dass ein Kauter in der Schiffsschmiede glühend gemacht wird. Ich brauche alles in der Kajüte des

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