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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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stellte die Stiefel vor sie hin, während sie sich vorbeugte und die Schuhe auszog. Sie roch unter dem Whisky den bitteren Atem, der von einer schlaflosen Nacht und einem langen, schweren Tag kam; sie roch die schweißgetränkte Haut eines hartarbeitenden Mannes, die kein Waschen – zumindest nicht die Waschungen, die er vornahm – ganz erfrischen konnte. Kein Körpergeruch – nicht einmal der Geruch von Sperma – war ihr fremd, aber der Geruch eines Körpers, der so deutlich nicht ihrer Macht oder ihrer Pflege unterstand, besaß etwas Neues und Angreiferisches.
    Das willkommen war.
    »Mal sehen, ob Sie gehen können«, sagte er.
    Sie konnte. Sie ging vor ihm zum Gatter. Er beugte sich über ihre Schulter, um es ihr aufzuhalten. Sie wartete, bis er es verriegelt hatte, dann trat sie beiseite, um ihn vorgehen zu lassen, denn er hatte aus dem Holzschuppen ein kleines Beil mitgebracht, um ihnen den Weg freizuhacken.
    »Die Kühe sollten hier den Wuchs niedrig halten«, sagte er. »Aber es gibt Zeugs, das Kühe nicht fressen.«
    Sie sagte: »Ich bin nur einmal hier unten gewesen. Frühmorgens.«
    Ihre Verzweiflung, ihr damaliger Gemütszustand mussten ihr nun kindisch vorkommen.
    Rupert ging und hieb auf die großen, üppigen Disteln ein. Die Sonne warf waagerechtes, staubiges Licht auf das dichte Laubwerk der Bäume vor ihnen. Die Luft war an manchen Stellen klar, dann wieder gerieten sie plötzlich in eine Wolke aus winzigen Gnitzen. Gnitzen nicht größer als Staubkörnchen, die ständig in Bewegung waren und dennoch in Form einer Säule oder Wolke dicht beieinander blieben. Wie brachten sie das fertig? Und wie wählten sie dafür eine ganz bestimmte Stelle vor allen anderen? Es musste etwas mit der Futtersuche zu tun haben. Aber sie schienen sich viel zu schnell zu bewegen, um fressen zu können.
    Als sie mit Rupert unter das Dach des Sommerlaubs trat, wurde es Dämmerung, nahezu Nacht. Man musste aufpassen, nicht über Wurzeln zu stolpern, die aus dem Pfad hervorkrochen, oder sich den Kopf an den herabhängenden, überraschend hartstämmigen Ranken zu stoßen. Dann blitzte das Wasser durch die schwarzen Zweige. Das entflammte Wasser auf der anderen Seite des Flusses, wo die Bäume immer noch lichtgeschmückt standen. Auf dieser Seite – sie gingen jetzt zwischen den Weiden hindurch zum Ufer hinunter – war das Wasser teebraun, aber klar.
    Und genau wie neulich wartete das Boot wippend im Schatten.
    »Die Ruder liegen versteckt«, sagte Rupert. Er verschwand zwischen den Weiden, um sie zu holen. Enid verlor ihn aus den Augen. Sie trat näher an die Wasserkante, ihre Stiefel sanken ein wenig in den Schlamm ein und hielten sie fest. Wenn sie sich Mühe gab, war ihr, als hörte sie Rupert durchs Gebüsch streifen. Aber wenn sie sich auf die Bewegung des Bootes konzentrierte, eine leichte, heimliche Bewegung, dann war ihr, als wäre alles in weitem Umkreis verstummt.

Jakarta
    I
    Kath und Sonje haben einen eigenen Platz am Strand, hinter großen Baumstämmen. Den haben sie sich ausgesucht, weil er ihnen Schutz bietet, nicht nur vor dem gelegentlich stark auffrischenden Wind – sie haben Kaths Baby dabei –, sondern auch vor den Blicken einer Gruppe von Frauen, die jeden Tag den Strand bevölkern. Sie nennen diese Frauen die Monicas.
    Die Monicas haben zwei oder drei oder vier Kinder pro Nase. Angeführt werden sie von der richtigen Monica, die über den Strand gelaufen kam und sich vorstellte, sobald sie Kath und Sonje und das Baby entdeckt hatte. Sie lud sie ein, sich dem Rudel anzuschließen.
    Sie folgten ihr und schleppten die Babytragetasche mit. Was blieb ihnen anderes übrig? Aber seitdem verschanzen sie sich hinter den Baumstämmen.
    Das Feldlager der Monicas besteht aus Sonnenschirmen, Badelaken, Windeltaschen, Picknickkörben, aufblasbaren Flößen und Walfischen, Spielsachen, Sonnenschutzmitteln, Kleidungsstücken, Sonnenhüten, Thermosflaschen mit Kaffee, Plastikbechern und -tellern und Kühlboxen, die hausgemachte Eislutscher aus Fruchtsaft enthalten.
    Die Monicas sind entweder unverhohlen schwanger oder sehen so aus, als könnten sie schwanger sein, denn sie haben ihre Figur verloren. Sie watscheln ans Wasser und brüllen die Namen ihrer Kinder, die auf Baumstämmen oder den aufblasbaren Walfischen reiten oder gerade davon herunterfallen.
    »Wo ist deine Mütze? Wo ist dein Ball? Du bist jetzt lange genug auf dem Ding gewesen, lass Sandy mal ran.«
    Sogar wenn sie sich miteinander unterhalten,

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