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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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grüßen, so grimmig schaute er drein.
    »Aber bis dahin vielleicht …« sagte sie. »Mir ist gerade der Gedanke gekommen, vielleicht möchten Sie bis dahin ein bisschen was zu tun haben und nachmittags bei Mr. Gorrie sitzen.«
    Sie sagte, ihr wäre angeboten worden, in dem Laden für Mitbringsel im St. Paul’s Hospital an drei oder vier Nachmittagen in der Woche auszuhelfen. »Es wird nicht bezahlt, sonst hätte ich Sie hingeschickt, damit Sie sich vorstellen«, sagte sie. »Es ist nur ehrenamtlich. Aber der Arzt sagt, es würde mir gut tun, mal aus dem Haus zu kommen. ›Sie machen sich sonst kaputt‹, hat er gesagt. Nicht, dass ich das Geld brauche, Ray ist wirklich gut zu uns, nur ein bisschen ehrenamtliche Arbeit, und da dachte ich –« Ihr Blick fiel in die Spülwanne, und sie sah Chess’ Hemden im selben Wasser mit meinem geblümten Nachthemd und unserer hellblauen Bettwäsche.
    »O je«, sagte sie. »Sie haben doch nicht Weißes und Buntes zusammengegeben?«
    »Nur das Helle«, sagte ich. »Das färbt nicht ab.«
    »Helles ist auch Buntes«, sagte sie. »Sie meinen vielleicht, Sie kriegen die Hemden so auch weiß, aber lange nicht so weiß, wie sie sein könnten.«
    Ich versprach, es beim nächsten Mal zu beherzigen.
    »So sorgen Sie also für Ihren Mann«, sagte sie mit einem entrüsteten Auflachen.
    »Chess macht das nichts aus«, sagte ich und ahnte dabei nicht, dass dies im Laufe der kommenden Jahre immer weniger wahr werden sollte und dass alle diese Nebenbeschäftigungen, die beiläufig und fast ein Spiel am Rande meines wahren Lebens zu sein schienen, in den Vordergrund rücken sollten, in den Mittelpunkt.
     
    Ich nahm ihr Angebot an und saß nachmittags bei Mr. Gorrie. Auf einem Tischchen neben dem grünen Ruhesessel lag zum Schutz der Tischplatte ein Küchenhandtuch, und darauf standen Flaschen mit seinen Tabletten und Tropfen und ein kleiner Wecker, damit er die Uhrzeit sah. Der Tisch auf der anderen Seite des Sessels war vollgepackt mit Lektüre. Die Morgenzeitung, die Abendzeitung vom Vortag, Illustrierte wie
Life
,
Look
und
Maclean’s
, die damals alle groß und lappig waren. Auf der Ablage unter diesem Tisch lag ein Stapel Sammelalben – die Sorte, wie Kinder sie in der Schule benutzten, mit dickem bräunlichen Papier und unbeschnittenen Rändern. Zeitungsartikel und Fotos lugten daraus hervor. Es waren Sammelalben, die Mr. Gorrie lange Jahre geführt hatte, bis er den Schlaganfall bekam und nichts mehr ausschneiden konnte. Es gab in dem Zimmer auch ein Bücherregal, aber das enthielt nichts als weitere Illustrierte und weitere Sammelalben und ein halbes Bord mit Schulbüchern, wahrscheinlich die von Ray.
    »Ich lese ihm immer die Zeitung vor«, sagte Mrs. Gorrie. »Er versteht immer noch alles, aber er kann sie nicht mit beiden Händen hoch halten, und seine Augen werden müde.«
    Also las ich Mr. Gorrie vor, während Mrs. Gorrie unter ihrem geblümten Regenschirm zur Bushaltestelle trippelte. Ich las ihm die Sportseite vor und die Lokalnachrichten und die Nachrichten aus aller Welt und alles über Morde und Raubüberfälle und schlechtes Wetter. Ich las die Leserbriefe vor und die Briefe an einen Arzt, der Ratschläge erteilte, und die Briefe an Arm Landers und deren Antworten. Es schien, dass die Sportnachrichten und Ann Landers ihn am meisten interessierten. Manchmal sprach ich den Namen eines Spielers falsch aus oder brachte die Fachausdrücke durcheinander, sodass ich Unsinn vorlas, dann wies er mich mit unzufriedenen Brummlauten an, es noch einmal zu versuchen. Wenn ich die Sportseite vorlas, war er immer nervös und mit gerunzelter Stirn bei der Sache. Doch wenn ich Ann Landers vorlas, entspannte sich sein Gesicht und er machte Geräusche, die ich als Behagen auslegte – eine Art Gurgeln und tiefes Schnarren. Diese Geräusche machte er besonders dann, wenn die Briefe ein spezifisch weibliches oder läppisches Problem zum Thema hatten (eine Frau schrieb, dass ihre Schwägerin immer vorgab, den Kuchen selbst gebacken zu haben, obwohl das Papierdeckchen von der Bäckerei noch darunter lag, wenn sie ihn auftrug) oder wenn es – in der vorsichtigen Manier jener Zeit – um Sex ging.
    Während der Leitartikel oder während eines langen Sermons darüber, was bei den Vereinten Nationen die Russen gesagt hatten und was die Amerikaner gesagt hatten, wurden ihm die Augenlider schwer – oder genauer, das Lid seines besseren Auges schloss sich fast ganz, und das über dem

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