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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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Wyrypajew. Mit dem Geld lässt er die Kirche renovieren. Vor jeder Vorstellung bedeckt er das Gesicht der Jungfrau mit einem weißen Tuch, sie soll die gottlosen Küsse nicht sehen.
    »Wie erklärst du, dass deine Immaculata ein Kind ausgetragen hat, ohne es jemals getan zu haben?«, fragt Odon.
    Der Pfarrer füllt die Gläser. Der Wein hat eine schöne Farbe, ein granatfarbenes Rot.
    »Die Gnade des Allmächtigen, eine göttliche Gunst. Aber das kannst du nicht verstehen, der Begriff der Reinheit wird dir immer fremd bleiben.«
    Er dreht sein Glas.
    »Ein göttliches Licht!«, sagt er und hält es gegen das Fenster.
    Er nimmt einen Schluck und behält ihn im Mund. Die Macht des guten Weins ähnelt der Macht Gottes, sie macht die Menschen besser. In der richtigen Menge klärt er die Gedanken und verstärkt die Gefühle.
    Odon zuckt die Achseln. Er hat versucht, an Gott zu glauben, aber das ist lange her, in der Jugend, Gebete, die er zum Himmel schickte, mit ausgebreiteten Armen, inbrünstig, verzweifelt.
    »Man führt Kriege im Namen deines Gottes, Pfarrer.«
    Sie wechseln einen Blick.
    Auf dem Pult liegt ein aufgeschlagenes Buch, ein Stich von Dionysos. Odon zieht das Buch zu sich. Dionysos ist der Gott des Winters, der Toten und der Unsterblichkeit. Mathilde sagte, er sei der Gott des Weins, der Wollust und des Sex.
    Lebenssaft, Sperma und Blut gegen die Unsterblichkeit?
    Der Priester genießt seinen Wein.
    » Memento mori …« 2
    Er trinkt einen Schluck.
    »Im Viertel wird von Mathilde gesprochen«, sagt er und stellt sein Glas ab.
    Odon weiß, was man sagt. Dass sie zurückgekommen ist, aber dass sie sich Zeit gelassen hat, dass man nicht so lange von zu Hause fortbleibt. Man wirft ihr vor, überall anders gespielt zu haben, bevor sie in ihre Heimat zurückgekehrt ist.
    »Ich erinnere dich daran, dass ihr Vater sie vor die Tür gesetzt hat. Ich weiß nicht, was ohne Isabelle aus ihr geworden wäre.«
    »Isabelle ist ihre Tante …«
    »Na und? … Sie wollten alle nichts von ihr wissen, und als sie berühmt wurde, haben sie behauptet, sie würde sie verachten.«
    »Reg dich nicht auf …«
    »Ich rege mich nicht auf.«
    Er zieht den Riegel zur Seite und öffnet das Fensterchen, das auf den Platz geht. Pantomimen sind gekommen, Marionettenspieler, die eine Stoffpuppe hin und her schwenken und sich einbilden, Kasperletheater zu machen. Schaulustige bleiben stehen, in Shorts, das Programm in der Hand, ohne recht zu wissen, was sie da machen. Sie langweilen sich, schauen einen Moment zu. Später werden sie Postkarten verschicken, auf denen sie schreiben, dass es ihnen gut geht und dass schönes Wetter ist.
    Odon geht zum Tisch zurück.
    Er nimmt sein Glas und trinkt es in einem Zug aus.
    Der Pfarrer ist fassungslos.
    »Weißt du eigentlich, was du da trinkst?«
    Odon weiß es nicht.
    »Einen Gruaud-Larose 1993 Saint-Julien Grand Cru.«
    Odon blickt auf das Etikett.
    »Solche Flaschen kannst du dir leisten?«
    Der Pfarrer antwortet nicht. Eine Dame der Pfarrgemeinde, die für viele Sünden Buße tun musste …
    2 Sei eingedenk, dass du sterben musst.

M arie betritt die Église Saint-Pierre. Die Messe ist gerade vorbei, die Orgel spielt noch. Die Musik hallt durch den Raum. Die Töne scheinen sich zu überlagern, es klingt wie mehrere Instrumente gleichzeitig. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Dichte Weihrauchschwaden wabern durch die Luft. Ein paar Gläubige umringen den Priester.
    Marie entdeckt einen Gang, hinter einer kleinen Holztür, die einen Spalt offensteht. Dahinter eine Wendeltreppe. Steinstufen. Eine dicke Schnur dient als Geländer.
    Marie steigt hinauf. Es gibt kein Fenster. Der Organist ist ein junger Mann, sie beobachtet ihn vom Treppenabsatz aus.
    Sie steigt bis zur Spitze des Glockenturms hinauf. Oben auf dem Dach hält sie sich fest. Sie betrachtet die Mauern und die Türme des Papstpalastes. Sie beugt sich hinunter. Sie hat keine Höhenangst. Sie hört Gelächter.
    Sie setzt sich.
    Platanenblätter verfaulen zwischen den Dachziegeln, sie entfernt sie mit der Hand. Ihre Fingernägel riechen nach Erde. Unter ihrem Hemd trägt sie einen Lederbeutel. Darin die Asche ihres Bruders.
    Sie denkt an die Geschichte von Nuit rouge . Menschen, die zusammenkommen und von einer besseren Welt träumen. Sie kratzt sich am Arm, mit den Fingernägeln, immer an derselben Stelle, auf den alten Krusten. Als könnte es ihr helfen zu verstehen, wenn sie sich kratzt. Natürlich gehen die Krusten ab. Es tut weh, aber sie

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