Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
dem Büro und ging mit ihr in den Aufenthaltsraum. Zu Tanjas Erleichterung saßen noch zwei Kolleginnen am Tisch, so dass sie mit diesem Widerling wenigstens nicht allein sein musste.
Sie warfen Tanja einen bemitleidenden Blick zu und fuhren mit ihrem Gespräch fort. Gerade als der Junior sie ebenfalls in ein Gespräch verwickeln wollte, kam zu ihrer Rettung Krause-Senior in den Raum. „Kommst Du bitte mal, Klaus?“
„Natürlich, Vater.“ Es war unglaublich wie schnell er umschalten konnte und dann wieder der hochanständige Sohnemann war. Klaus Krause verließ den Raum, jedoch nicht ohne ihr noch einmal zuzuzwinkern. Tanja bekam vor Ekel eine Gänsehaut.
„Weißt Du“, sagte eine der Kolleginnen dann wie aus dem Nichts zu Tanja, „es wäre wahrscheinlich einfacher, wenn Du einen Freund hättest. Erfinde doch zur Not einen. Wenn Du willst, leihe ich Dir meinen Cousin aus. Der ist ein richtiger Muskelprotz. Lass Dich von ihm ein paar Mal abends abholen, so dass es der Junior mitkriegt und dann solltest Du Deine Ruhe haben.“
„Das ist lieb, danke.“ Tanja freute sich wirklich über dieses Angebot. Noch lieber wäre es ihr allerdings, wenn sie wüsste, dass die anderen hinter ihr stehen würden, falls sie zum Seniorchef geht. Aber da jeder hier um seinen Job fürchtete, hielten alle den Mund. Zumal sie nicht die erste war, an die sich der Junior rangemacht hatte. Die betreffenden Damen litten jetzt entweder still vor sich hin, nachdem er sie wieder abserviert hatte oder sie hatten gekündigt.
Den Rest des Nachmittags stürzte sich Tanja in die Arbeit, damit die Zeit schneller rum ging. Sie kümmerte sich auch um die ungeliebten Sachen und machte sich als letztes an ihre Ablage. Als sie gerade dabei war, Schriftstücke abzuheften und vor einem Regal mit Ordnern stand, drückte sich plötzlich der Junior-Chef von hinten an sie heran. Vor Schreck drehte sich Tanja um und hatte sein Gesicht nun direkt vor sich. „Endlich habe ich Dich mal da, wo ich Dich haben will“, säuselte der Junior.
„Lassen Sie mich in Ruhe“, sagte Tanja mit ruhiger Stimme, obwohl sie am liebsten laut geschrieen hätte.
„Nicht doch, es wird Dir gefallen, glaub mir.“ Der Chef drückte sich jetzt an sie ran und wollte sie küssen. Im letzten Moment stieß ihn Tanja von sich weg. Krause-Junior machte einen verdutzten Gesichtsausdruck und wollte gerade wieder auf sie zu kommen, als sich die Tür zum Aktenraum öffnete und eine Kollegin rein kam. Tanja nutzte diesen Moment und stürmte raus. Sie wollte nur noch weg. Arbeitszeit hin oder her. Sie griff sich ihre Jacke im Büro und bevor noch irgendjemand blöde Fragen stellen konnte, lief sie zum Parkplatz und fuhr einfach los. Sie fuhr ziellos durch die Gegend und merkte erst nach ein paar Kilometern, dass sie am ganzen Körper zitterte. Es war einfach zum Kotzen. Wenn der Senior-Chef nur nicht so blind wäre, was seinen Sohn betraf. Sie hatte zum großen Chef eigentlich ein sehr gutes Verhältnis, aber wenn Aussage gegen Aussage stand, würde sie gegen den Junior den Kürzeren ziehen.
Sie stellte ihren Wagen schließlich auf einem Waldparkplatz ab und vertrat sich ein bisschen die Beine. Am Ende ihres Spaziergangs war sie fest entschlossen, die Arbeit bei Krauses Elektroparadies an den Nagel zu hängen. Ganz egal, ob sie als nächstes in einer Fabrik arbeiten würde oder sich mehrere Putzjobs besorgen müsste. Alles war besser als weiterhin diesem Ekel ausgeliefert zu sein.
Als nächstes fuhr sie ins Krankenhaus. Es war schön zu sehen, dass es ihrem Opa besser ging. Einer seiner Bettnachbarn war am Mittag entlassen worden, der andere war gerade mit seinem Besuch in der Cafeteria. So hatten sie das Krankenzimmer für sich alleine.
„Ich fühle mich schon wieder topfit. Von mir aus können sie mich morgen raus lassen.“
„Das könnte Dir so passen“, lachte Tanja, „und ich schiebe Dich dann überall mit dem Rollstuhl hin, weil Du das Laufen ganz verlernt hast.“
„Das ist allerdings das Einzige, was mich hier hält. Ich hatte heute Nachmittag schon Physiotherapie. Ein ganz schnuckeliges Mädel hat mit mir erste Gehübungen gemacht.“
„Du bist ein alter Schwerenöter.“
„Lass mir doch die Freude, wenn ich schon hier ans Bett gefesselt bin.“
„Du hast recht, ich kann mir vorstellen, dass es nicht gerade schön ist, den ganzen Tag auf diese furchtbare Wand zu starren. Kann ich Dir morgen eigentlich was mitbringen. Einen Saft, ein bisschen Obst oder
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