Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
an die Nachtschicht und sie wollte nicht stören. Um die Wartezeit zu überbrücken, blätterte sie in den Zeitschriften, die auf dem Tisch ausgebreitet waren. Auch wenn der Klatsch über die Königshäuser schon mehrere Wochen alt war und sie außer den Briten eh niemanden kannte, war es doch besser als gar nichts. Nachdem die Übergabe beendet schien, wartete sie noch ein paar Minuten und ging dann in Richtung Schwesternzimmer. Als sie gerade an den Türrahmen klopften wollte, kam eine Frau mit schnellen Schritten heraus und rannte sie fast um. „Ups, Entschuldigung“, lachte die Frau.
„Nichts passiert“, antwortete Tanja und konnte ihre Blicke kaum von der Frau lösen. Ihre dunkelbraunen, warmherzigen Augen passten perfekt zu ihren kurzen braunen Haaren. Da sie Kittel und Stethoskop trug, ging Tanja davon aus, dass sie Ärztin war.
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Äh, ja“, Tanja musste kurz überlegen, was sie eigentlich wollte, „mein Opa, Alfons Drexler, wird gerade operiert. Er soll danach auf diese Station kommen.“
„Stimmt, der Oberschenkelhalsbruch.“
„Genau. Jedenfalls wollte ich fragen, ob Sie mich informieren könnten, sobald die OP vorbei ist?“
„Das ist kein Problem. Wir rufen Sie gerne an. Haben Sie ihre Telefonnummer schon hinterlassen?“
„Habe ich. Aber wenn es in Ordnung ist, würde ich hier gerne so lange warten.“
„Natürlich können Sie hier warten. Aber wenn ich richtig informiert bin, hat die Operation gerade erst angefangen. Wollen Sie nicht doch lieber nach Hause gehen?“
„Nein, dort würde ich es jetzt alleine nicht aushalten.“
„Kann ich verstehen. Es wird hier nachts in den Gängen immer etwas kühl. Also, wenn Sie eine Decke haben wollen, scheuen Sie sich nicht, bei den Schwestern zu fragen.“
„Danke, das ist lieb. Ich werde mich jetzt erst mal wieder in Sachen europäische Königshäuser weiterbilden. Hier liegt ein Glück genug Infomaterial.“
„Machen Sie das, in einer Stunde komme ich dann mit der Zettelarbeit und frage ihr Wissen ab.“ Die Ärztin lächelte und Tanja vergaß zum ersten Mal an diesem Abend die Sorgen um ihren Opa.
„Haben Sie also gerade erst angefangen?“
„Ja, ich werde die ganze Nacht hier sein.“
„In dem Fall werde ich natürlich fleißig lernen.“
„Ist gut, dann bis später.“
Die Ärztin verschwand hinter einer der vielen Türen in dem langen Gang und Tanja begab sich zu ihren Klatschzeitschriften. Nachdem sie die ersten zwei durchgeblättert hatte, inklusive Liebes- und Partnerschaftstipps, waren gerade mal fünfzehn Minuten vergangen. Der Zeiger schien an der Uhr fest getackert zu sein. Nach und nach verließen die letzten Besucher die Station und es wurde immer ruhiger.
Irgendwann hatte sie genug von den Illustrierten und lief ein wenig hin und her. Tatsächlich war es scheinbar kühler geworden.
„Na, schon bereit für die Zettelarbeit?“
„Nicht wirklich. Ich habe zwar alles angeschaut, aber es ist nichts hängen geblieben. Und ehrlich gesagt wäre mir ein anderer Lesestoff oder überhaupt andere Ablenkung lieber.“
„Wenn Sie unten in Richtung Cafeteria gehen befindet sich rechts eine kleine Nische mit einem Internetrechner. Der hat mir auch schon so manche Nachtschicht verkürzt. Wenn Sie Glück haben, ist er frei.“
„Danke, da werde ich gleich mal schauen.“ Das Internet war wirklich eine willkommene Abwechslung. Sie sah nach ihren Mails und surfte ein wenig auf den Nachrichtenseiten. Wie lange so eine OP wohl dauerte? Sie versuchte sich die Frage selbst zu beantworten, indem sie ebenfalls im Internet auf die Suche ging. Im Nachhinein bereute sie jedoch, überhaupt danach gesucht zu haben. Sie ging wieder hoch auf die Station und setzte sich niedergeschlagen in die Warteecke.
„Immer noch nicht besser?“ Die Ärztin stand plötzlich wieder vor ihr. Diesmal nahm Tanja zum ersten Mal das Namensschild auf ihrem Kittel war. `Dr. Maus´ war darauf zu lesen.
„Ich habe den Fehler gemacht, über Infos nach Oberschenkelhalsbrüchen zu suchen.“
„Oh je, lassen Sie mich raten. In den Foren sind alle möglichen Horrorgeschichten von Komplikationen und Ärztepfusch gestanden?“
„Ja“, sagte Tanja nun ein wenig verlegen, „dabei wollte ich doch nur wissen, wie lange so eine Operation normalerweise dauert. Die einzige Angabe, die ich gefunden habe, lautete 30 –40 Minuten. Und jetzt mache ich mir doch ein wenig Sorgen, da ich schon über eine Stunde warte.“
„Warum haben
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