Die Liebe kommt auf leisen Pfoten
ihn.“
Tanjas Opa wollte gerade etwas sagen, um das Wortgefecht etwas zu beschwichtigen,
doch Tanjas Tante war schneller. „Und Du bist genauso egoistisch und unverschämt, wie es Deine Mutter es war.“
Das hatte gesessen. Tanjas Mutter war zwar schon vor über zwanzig Jahren gestorben, aber es tat ihr immer noch sehr weh. Mutter und Tante konnten sich noch nie leiden. Dass ihre Tante aber so gemein sein würde, hätte sie nicht gedacht. Wie vor den Kopf gestoßen rannte sie aus dem Zimmer und versteckte sich im Krankenhausgang in einer kleinen Nische, wo sie in Ruhe durchatmen und gegen ihre Tränen ankämpfen konnte. In diesem Moment kamen auch ihre Kopfschmerzen zurück. Es pochte so heftig, als wäre ihr Kopf in einem Schraubstock. Sie lehnte sich an die Wand und massierte ihre Schläfen.
„Ist alles in Ordnung?“ Tanja schreckte auf. Frau Dr. Maus stand direkt vor ihr und sah sie besorgt an.
„Es geht schon. Ich hatte nur einen sehr miserablen Tag und es war alles ein bisschen viel.“
„Mit Ihrer Tante verstehen Sie sich nicht sehr gut, oder?“
„Hat man das gemerkt?“
„Sagen wir mal so, die Atmosphäre schien etwas angespannt zu sein.“
„Diese falsche Schlange“, brach es nun aus Tanja heraus, „kümmert sich das ganze Jahr einen Dreck um ihren Vater und hier im Krankenhaus macht sie dann eine auf treusorgende Tochter. Und dann beleidigt sie auch noch meine verstorbene Mutter.“ Tanjas Stimme brach weg und zwei Tränen kullerten über ihre Wange. Dr. Maus hielt ihr sofort ein Taschentuch hin.
„Es tut mir leid, das ist mir jetzt ein bisschen peinlich. Ich bin eigentlich keine Heulsuse, aber das war heute einfach alles zu viel.“
„Ist schon in Ordnung. Wenn ich Ihnen etwas Gutes tun kann?“ Die Ärztin sah sie fragend an.
„Falls Sie irgendwo noch eine Kopfschmerztablette für mich hätten, wäre das meine Rettung.“
„Kein Problem, ich bringe Ihnen eine. Zufällig habe ich da gute Verbindungen“, lächelte sie und Tanja bekam auch ein zaghaftes Lächeln über die Lippen.
„Na also, so gefallen Sie mir schon besser. Warten Sie hier, ich komme gleich wieder.“ Die Ärztin verschwand in einem der vielen Zimmer und kam kurz darauf mit einem Glas Wasser, einer Kopfschmerztablette und einer Banane zurück. „Nehmen Sie zuerst die Tablette und essen Sie danach ein paar Bissen, dann wirkt die Tablette besser.“
„Danke.“
„Ihre Tante ist übrigens gerade gegangen, falls Sie das interessiert.“
„Schön, dann kann ich jetzt noch einmal zu meinem Opa.“
„Aber nicht mehr so lange. Er schlägt sich zwar tapfer, aber braucht noch viel Ruhe. So eine OP ist für ältere Menschen doch sehr anstrengend.“
„Ich bleibe nur noch kurz, versprochen. Und danke noch mal“, Tanja hob zum Abschied die Banane hoch, während sie in Richtung Patientenzimmer ging.
Im Zimmer war mittlerweile der Bettnachbar von ihrem Opa wieder zurück gekehrt, deshalb unterhielten sie sich entsprechend leise. „Und, was hatte Tante Sigi noch Schlaues zu sagen?“
„Sie meinte, ich solle mir doch jetzt schon überlegen, in welches Pflegeheim ich einmal will. Und wie ich das Ganze finanzieren will, weil sie keine Lust hätte, für mich auch noch zahlen zu müssen.“
„Wie nett von ihr, aber ich habe auch nichts anderes erwartet. Genug von Tante Sigi. Was kann ich Dir morgen alles mitbringen?“
Zusammen gingen sie den Einkaufszettel durch, dann ließ Tanja ihren Opa in Ruhe schlafen und ging nach Hause. Im Internet waren leider auch am Abend keine entsprechenden Stellenausschreibungen für sie zu finden. Musste sie jetzt wirklich auch noch im Ausland suchen? Vielleicht würde der nächste Tag etwas bringen.
Der nächste Tag glich jedoch eher einem Spießrutenlauf. Scheinbar hatte die Kollegin, die Tanja und den Juniorchef im Aktenraum gesehen hatte, überall herum erzählt, was sich dort abgespielt hatte. Tanja hatte das Gefühl, dass ihr alle hinterher schauten oder hinter ihrem Rücken tuschelten. Nur zwei Kollegen, mit denen sie schon immer ein sehr gutes Verhältnis hatte, nahmen sie in der Mittagspause zur Seite und wollten von ihr wissen, was am Abend zuvor vorgefallen war. „Und das Schlimme ist“, beendete Tanja ihre Schilderungen, „dass dieses Dreckschwein immer damit durchkommt.“
„Der Alte steht leider ohne wenn und aber hinter ihm.“
„Irgendwann muss ihm doch mal ein Licht aufgehen. Er ist doch so ein netter Kerl, warum sieht er nicht, was für ein Spiel sein Sohn
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