Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Seitensprung ihr, biologisch, nützen?
Der Krieg der Spermien
Der Mann hat es schwer. Zu seinem großen Leidwesen sucht nicht nur er, sondern auch die Frau das Abenteuer. Das hat natürlich nicht zuletzt die Natur durchschaut. Da auf die Fähigkeit des Mannes, den Seitensprung seiner Frau zu vereiteln, kein Verlass ist, hat sie alles daran gesetzt, um für Schadensbegrenzung zu sorgen. So bleibt ihm, wenn all seine Abwehrversuche gescheitert sind, noch eine einzige Chance. Ohne es zu ahnen, besitzt er eine Armee von kleinen, aber tapferen Widerstandskämpfern, die auch jetzt die Flinte noch nicht ins Korn werfen: die Spermien.
Was ist die Funktion eines Spermiums? Hört sich nach einer kinderleichten Frage an: Die Eizelle der Frau zu befruchten natürlich! Doch wenn das schon die ganze Antwort wäre, sagten sich die britischen Biologen Robin Baker und Mark Bellis, wozu produziert der Mann dann so viele Spermien? [211] Ein einziges Ejakulat enthält gut 300 Millionen Samenzellen. Damit ließen sich, rein rechnerisch, alle Frauen Europas befruchten. [212]
Nun spielt bei dieser Zahl die interne Konkurrenz eine Rolle. Nur die besten Schwimmer schaffen es bis zum Ziel, der Eizelle. Der ganze Rest bleibt irgendwo unterwegs auf der Strecke. Schon auf der Ebene der Gameten tritt also Darwins Prinzip vom Überleben der Fittesten in Kraft. Aber 300 Millionen, bloß um am Ende einen einzigen Sieger herauszufiltern? Ist das nicht etwas übertrieben?
Skeptisch nahmen die beiden Biologen die männlichen Geschlechtszellen unter die Lupe. Dabei machten sie einige spektakuläre Entdeckungen, die noch bestätigt werden müssen, bevor wir sie als einigermaßen gesicherte Erkenntnisse einstufen können.
Die erste Entdeckung: Nur die wenigsten der Winzlinge, unter ein Prozent, gehören offenbar zu der Elite-Truppe, die überhaupt an dem Wettlauf zur weiblichen Eizelle teilnehmen, es sind die »Ei-Kämpfer«. Womit beschäftigt sich dann der Rest? Er besteht, so die Spekulation von Baker und Bellis, aus einem Heer von unfruchtbaren Kamikaze-Kämpfern, die nur eine Funktion haben: Den fruchtbaren Frontschwimmern den Rücken frei zu halten, und zwar von den Samenzellen eines Rivalen.
Da sind zum einen die »Blockierer«. Sie übernehmen die Aufgabe, eventuelle Spermien der Konkurrenz die Weiterreise zu verhindern. Wenn Spermien ein gewisses Alter erreichen, ziehen sie den Schwanz ein, der Fortsatz rollt sich auf zu einem Knäuel. Auf diese Weise, vermuten die Biologen, verwandelt sich das Spermium zu einer Schranke. Schulter an Schulter können die Blockiererspermien eine regelrechte Barriere bilden. Dabei positionieren sie sich bevorzugt an strategisch wichtigen Stellen, beispielsweise vor dem Eingang zur Gebärmutter, und versperren rivalisierenden Samenzellen den Weg.
Sollte einer dieser Feinde dennoch durch die Absperrung dringen, trifft er auf eine zweite, hochaggressive Verteidigungsfront, die »Killerspermien«. Sie sind äußerst gute Schwimmer. Die Killerspermien patrouillieren in der Gebärmutter und im Eileiter und geben den wenigen fruchtbaren Gameten, die sich zur Eizelle vorkämpfen, Geleitschutz. Stößt ein Killer auf ein anderes Spermium,
prüft er dessen chemische Oberfläche, wie bei einer Passkontrolle. Stimmen die Oberflächenstrukturen mit seinen überein, lässt er ab und sucht weiter. Trifft ein Killer dagegen auf Konkurrenz, folgt unweigerlich die Attacke. Dabei sticht das Spermium mit dem Kopf ein ätzendes Gift in seinen Gegenspieler, bis er ihn getötet hat.
Natürlich sind auch die meisten Samenzellen des Nebenbuhlers von Kopf bis Schwanz auf Kampf eingestellt. So kann es, wenn die Frau fremdgeht, in ihrem Körper zu einer chemischen Kriegsführung zwischen den Spermien des Lebensgefährten und denen des Liebhabers kommen.
Als sei das alles noch nicht spektakulär genug, stellten Baker und Bellis in Versuchen fest, dass ein Mann seine Samenzellen nicht einfach nach Lust und Laune verschleudert. Er passt den Umfang seines Heeres haargenau an, und zwar je nach Kriegsrisiko.
Wie die Messungen der Biologen ergaben, hängt die Zahl der Spermien, die ein Mann ins Rennen schickt, insbesondere davon ab, wie groß er die Gefahr eines Seitensprungs seiner Frau einschätzt. War sie seit dem letzten Sex – der, sagen wir, drei Tage zurückliegt – rund um die Uhr an seiner Seite, so ist das Risiko, dass sie ihm Hörner aufgesetzt hat, gleich null. Feindliche Blockierer, Killer und Ei-Kämpfer sind nicht zu
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