Die Liebe verzeiht alles
Gegensatz zu ihr etwas aus seinem Leben gemacht hatte, sowohl beruflich wie privat. Aber jede neue Information erschwerte ihre eigene Situation. Mit jeder Sekunde wuchs ihre Angst, und sie fühlte sich immer einsamer und verlorener.
„Hast du Ernies Telefonnummer? Wenn nicht, kann ich sie dir geben. Oder falls du ihn lieber von Angesicht zu Angesicht sprechen möchtest … Er frühstückt meistens hier. Du könntest morgen noch einmal vorbeischauen.“
Und dabei riskieren, wieder auf dich zu treffen, bevor ich gründlich nachgedacht habe! Nein, das muss nicht sein. „Es geht um nichts Wichtiges. Trotzdem danke. Ich wollte ihm nur etwas bringen.“ Lilah reichte ihm das Foto. „Du kannst es gern behalten. Es ist ohnehin fürs Lokal bestimmt.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Solltest du die Wände anders gestalten wollen, könntest du es Ernie vielleicht bei einem seiner nächsten Besuche geben.“
Das war’s dann mit ihrem Job in dem einzigen Restaurant vor Ort. Lilah machte einen Schritt zurück. Es war ein Fehler gewesen, nach Kalamoose zu kommen. Einer von vielen.
„Ich muss zu Bree zurück.“ Sie zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter, und Gus blickte zu ihr, die noch immer in ihr Buch vertieft war. Verdammt, warum hatte sie seine Aufmerksamkeit auf das Mädchen gelenkt? Nun stellte er vermutlich Fragen, und sie musste sich weiter mit ihm unterhalten. „Es war schön, dich wiederzusehen“, fuhr sie fort und mobilisierte all ihre Kräfte, um die gleiche Gelassenheit an den Tag zu legen wie er. „Viel Glück für alles.“ Sie lächelte ihn an, drehte sich schwungvoll um und ging davon, als wäre sie der selbstbewussteste Mensch der Welt.
„Sechsundvierzig, siebenundvierzig, achtundvierzig.“
Egal, wie oft Lilah das Geld auf dem Küchentisch zählte, die Endsumme war immer dieselbe. In Kürze würde sie erneut etwas von ihrem Bankkonto abheben müssen, das jetzt schon so gut wie leer war. Sie hatte in den letzten Monaten sehr oft darauf zurückgegriffen, aber keinen einzigen Cent einzahlen können.
Seufzend nahm sie den Becher mit heißer Schokolade und trank ihn aus. Sie hatte sich um neun Uhr ins Bett gelegt, nicht zuletzt, um heute nicht mehr mit Sara reden zu müssen, die noch nicht zu Hause gewesen war. Nicht, dass sie das Gespräch endlos hinauszögern könnte. Aber sie wollte es lieber erst führen, wenn sie ihre Lage näher betrachtet hatte und etwas ausgeruhter war. Leider hatte sie nicht schlafen können und war nach gut zwei Stunden wieder aufgestanden. Jetzt war es fast Mitternacht.
Gönn dir noch einen Schlummertrunk, dachte sie, auch wenn du es wegen der Diät, die du seit einer Ewigkeit machst, lieber nicht tun solltest. Ihre Karriere war ohnehin gelaufen und eine Liebesbeziehung kein Thema. Und wenn jemand die Lüge entdeckte, mit der sie seit über zehn Jahren lebte, würde möglicherweise niemand mehr ein Wort mit ihr wechseln. Nicht einmal ihre Schwestern.
Lilah stand auf, machte sich noch einen Kakao und setzte sich wieder an den Tisch. Gedankenverloren blickte sie durchs Fenster hinaus in die Dunkelheit. Sie war nach Hause gekommen, um sich Trost und Unterstützung zu holen. Vor allem Nettie, so hoffte sie, würde sehen, dass es ihre Kräfte überstieg, sich um Bree zu kümmern. „Sieh dich doch an“, würde ihre jüngere Schwester sagen. „Du bist total erschöpft. Diese Aufgabe ist zu groß für jemanden, der den Umgang mit Kindern nicht gewohnt ist. Lass mich dir helfen.“
Dieser Gedanke hatte ihr auf der langen Fahrt hierher immer wieder Kraft und Hoffnung gegeben. Doch jetzt war sie ernüchtert und desillusioniert.
Lilah schlug die Hände vors Gesicht. Immerhin hatte sie nicht sterben und eine über alles geliebte Tochter zurücklassen müssen. Und trotzdem saß sie jetzt hier und machte sich Sorgen, tat sich leid und wollte von jemandem gerettet werden.
Als Gus ihr vorhin erzählt hatte, er würde sich in Kalamoose häuslich und geschäftlich niederlassen, war ihr ein verrückter Gedanke durch den Kopf geschossen. Hatte das Schicksal vielleicht beschlossen, dass zwischen ihnen doch noch nicht alles vorbei war? Dass der wütende Teenager, der damals der völlig falsche Partner für sie gewesen war, nun als Erwachsener ihr strahlender Held werden sollte?
Auch hatte sie kurz überlegt, ob alles, was passiert war, geschehen sollte, um sie beide wieder zusammenzuführen. Aber all das war in ihr abgelaufen, bevor er seine bevorstehende Hochzeit erwähnt hatte.
Den
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