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Die Liebe zu Rosen mit Dornen

Die Liebe zu Rosen mit Dornen

Titel: Die Liebe zu Rosen mit Dornen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Dilloway
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improvisieren. Gib mir ein Stück Kreide und eine Klasse voller Schüler, und schon kann es losgehen. Ich erhebe mich von meinem Schreibtisch, und sofort wird mir schwindlig. Nur der niedrige Blutdruck von der Dialyse. Kein Grund zur Sorge, es sei denn, ich falle um und stoße mir den Kopf. Aber dann kann ich es auch nicht ändern. Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe mich an. Erst mittags wird mir einfallen, dass ich gar nicht gefrühstückt habe.

4
    Ich schreibe die Testfragen an die Tafel. Meine Schüler, alle fünfzehn Zehntklässler, die in der vierten Stunde an diesem Biologiekurs teilnehmen, stellen sich absichtlich dumm. Die Hormone regieren ihr Gehirn. Im Grunde könnte man sich die Erziehung der Zwölf- bis Zwanzigjährigen sparen.
    Es ist das Einfachste auf der Welt. Alles, was im Test vorkommt, schreibe ich an die Tafel. Das sollen sie dann lernen. Und dennoch kommt der Test für viele überraschend.
    Â»Bitte schreibt es auf eure Karteikarten und lernt es auswendig«, erkläre ich der Klasse. Die Hälfte ignoriert mich. Ein weiteres Viertel zückt seine Karteikarten. Das letzte Viertel starrt an die Tafel, als könnte man sich zwanzig Seiten Lehrstoff merken, ohne etwas aufzuschreiben. »Wenn ihr das alles wisst, kriegt ihr in der Arbeit garantiert die volle Punktzahl.«
    Ich lasse mich schwer auf den Stuhl hinter meinem Pult sinken. Schon jetzt weiß ich, dass Dr. O’Malley, unser Direktor, nach diesem Test mit mir reden will. Ich nehme meine Brille ab und reibe mir die Augen. Es heißt, Zufriedenheit sei das Gegenteil von Intelligenz. Je dümmer man ist, desto glücklicher ist man. Die Ärzte sagen, eine kaputte Niere kostet einen zwanzig IQ -Punkte. Heute müsste ich eigentlich glücklich sein, denn ich habe nicht nur zwei kaputte Nieren, sondern außerdem eine heftige Nebenhöhlenentzündung, die mich bestimmt noch mal zehn Punkte kostet. So ein Klassenzimmer ist nicht gerade eine sterile Umgebung.
    Wie aufs Stichwort summt der Lautsprecher an der Decke. Eine blecherne Frauenstimme sagt: »Miss Garner, Dr. O’Malley möchte Sie in seinem Büro sprechen.«
    Â»Jetzt? Ich bin mitten im Unterricht.«
    Dara klopft, dann kommt sie herein. Heute trägt sie ein cremefarbenes Kleid mit Rosenmuster, tiefem Dekolleté und weitem Petticoat. Ihre Locken hat sie hochgesteckt. Sie steht auf 50er-Jahre-Pin-up-Mode. Ich sehe, dass einer der Jungen einen roten Kopf kriegt und sein ausgeprägter Adamsapfel beim Schlucken auf- und abhüpft. Ich finde, Highschool-Lehrerinnen sollten in Sackleinen gehen. Oder zumindest Röcke tragen, die bis zu den Knöcheln reichen, und auf keinen Fall Make-up. »Ich soll für dich einspringen.«
    Das kann doch wohl nicht wahr sein. »Ich hoffe, es ist wichtig.«
    Â»Die haben mir nichts gesagt.«
    Â»Wahrscheinlich irgendwelche nervigen Eltern«, sage ich leise. Ich denke, ich bin leise, doch die gesamte letzte Reihe wendet sich um. Ja, von dir ist die Rede, Sean McAllister, denke ich. Seine Mutter kriegt jedes Mal einen Anfall, wenn er nicht mindestens die zweitbeste Arbeit schreibt. Der Junge macht fast nie seine Hausaufgaben. Er besitzt nicht mal genügend Anstand, meinem Blick auszuweichen.
    Dara ermahnt mich. »Gal.«
    Â»Du weißt genau, wovon ich rede.« Ich nehme meine Tasche und meine Wasserflasche und salutiere vor Dara. »Viel Glück. Weitermachen, Kinder.«
    Mit einem Klicken schließt sich die Tür des Klassenzimmers hinter mir.
    Letzten Winter bestellte mich der Schuldirektor eines sonnigen Montagmorgens in sein Büro, wie jedes Jahr, wenn die Eltern am Samstag zuvor die Halbjahreszeugnisse in der Post hatten. Ich nehme an, so steht es in meinen Vertrag.
    Dr. O’Malley kaute auf seinem gelben Bleistift herum und starrte leeren Blickes auf den Parkplatz hinaus, wo die Schüler in Autos stiegen, die mehr kosteten, als ich im ganzen Jahr verdiente. »Sie sind zu streng«, sagte Dr. O’Malley. »Es sind Beschwerden gekommen. Von Eltern.«
    Ich ging davon aus, dass es sich bei den Beschwerdeführern um dieselben Kinder handelte, die nicht alle Themen von der Tafel abgeschrieben hatten, im Test durchgefallen waren und dann ihre Eltern beim Direktor anriefen ließen, weil ich angeblich zu streng war.
    Â»Zu streng?«, fragte ich ihn. »Ich habe den Kindern sogar aufgeschrieben, was im Test drankommt! Wie kann das zu

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