Die Liebe zu Rosen mit Dornen
auf die Couch und lege die FüÃe auf den Tisch. Ich überlege, wie ich verhindern kann, dass Riley so wird wie Becky. Bei Becky zu sein hat sie verkorkst. Aber auch, dass Becky sie allein gelassen hat. So oder so wird Riley Probleme bekommen. Ich nehme meine Brille ab und reibe mir die Augen. Etwas Hartes sitzt mir in der Kehle und lässt sich nicht hinunterschlucken.
Riley macht die Tür auf. »Sie geht nicht ran.« Sie hat ihre Jacke ausgezogen und lässt die Schultern hängen. Sie sieht aus wie das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern.
Ich bin ganz froh, dass sie ihre Mutter nicht erreicht hat. Becky wäre ihr sicher keine Hilfe. Ich klopfe neben mir auf die Couch. »Wollen wir uns zusammen die Spätnachrichten ansehen?«
Sie setzt sich neben mich, ganz nah, aber ohne mich zu berühren. Ihr Make-up und die Tränen sind getrocknet. Ich zupfe ein Taschentuch aus der Box und wische ihr das Gesicht ab. Sie rührt sich nicht.
Ich stelle den Fernseher an, und wir sitzen davor, bis Riley langsam die Augen zufallen.
18
Ich richte meinen Zauberstrahl auf die Rosen und suche nach kleinen rötlich braunen Flecken. Es ist Montag in der zweiten Maiwoche, und die Spinnmilben tummeln sich wie jedes Jahr um diese Zeit. Ich nenne sie »rote Vampire«. Eigentlich bin ich ja Biologin und begeistere mich für den Kreislauf des Lebens, in dem alles seinen Platz hat, aber gleichzeitig hasse ich alles, was meinen Rosen schadet. Wäre ich eine echte Darwinistin und glaubte ans Ãberleben der Stärkeren, würde ich sie in Ruhe lassen. Als echte Darwinistin wäre ich allerdings selbst schon lange tot.
Einige Hybrid-Teerosen haben Milben, obwohl diese durch meine morgendliche Waschung erheblich dezimiert wurden. Es ist genauso nervig und zeitraubend, wie es klingt. Die frühmorgendliche Sonne brennt mir auf die ungeschützte Stirn. Ich darf nicht vergessen, mir einen Hut aufzusetzen. Es ist warm geworden, mittags im Schnitt so um die dreiÃig Grad im Schatten.
Drinnen macht sich Riley für die Schule bereit. Wir haben das ganze Wochenende nicht über den Vorfall gesprochen. Stattdessen waren wir in der Gärtnerei, im Kino â irgendeine Komödie, die ich schon wieder vergessen habe â und gestern in der Kirche. Die ganze Zeit über habe ich sie beobachtet. Ich wusste gar nicht, wieso. Vielleicht suchte ich nach einem Zeichen dafür, ob sie reden wollte oder wieder weinen.
»Ich bin da, wenn du reden möchtest«, sagte ich unbeholfen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Mir gehtâs gut.«
Ich habe beschlossen, Riley nicht dafür zu bestrafen, dass sie getrunken hat. Bestimmt hat sie sich nur abreagiert, weil sie sich von ihrer Mutter verlassen fühlt. Ich meine, hätte meine Mutter mich von heute auf morgen weggeschickt, hätte ich vielleicht auch so was in der Art gemacht. Auch wenn ich es mir nicht vorstellen kann.
Ich drehe den Schlauch weiter auf, spritze meine dunkelblaue Hose voll. Nebenan späht meine Nachbarin aus dem Fenster. Sie weicht zurück, als ich winke. Der Wasserstrahl muss so kräftig sein, dass man die Milben abwaschen kann, ohne dass die Rosen Schaden nehmen. Ich bücke mich und suche unter dem Busch, schwenke meinen Arm, bis er schmerzt. Das ist gutes Training. Ein Insektizid wäre einfacher, aber ich möchte meine Rosen ungern mit irgendwelchen Chemikalien einsprühen, wenn auch nicht aus Gründen des Umweltschutzes. Ich bin gegen Gifte, weil sie mir gefährlich werden können. Wenn man bedenkt, wie schlecht die Sterne für mich stehen, sollte ich mich lieber nicht auch noch giftigen Chemikalien aussetzen, selbst wenn sie für den Menschen angeblich harmlos sind. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was Wissenschaftler im Lauf der Menschheitsgeschichte alles schon als harmlos deklariert haben. Für mich ist der Fall klar.
SchlieÃlich beende ich das Abspülen und wickle den Schlauch auf die groÃe Rolle. Ich habe ein Bewässerungssystem, aber auch einen ganz normalen, dicken Schlauch für den Fall, dass mehr Wasserdruck gebraucht wird. Ich bin die körperliche Arbeit nicht gewöhnt und fange schon an zu schnaufen, bevor auch nur ein Viertel vom Schlauch aufgerollt ist.
Normalerweise kommt Brad sonst morgens vor der Schule, um die Rosen zu waschen, damit sie dann tagsüber in der Hitze trocknen können. Wegen der Schule und der Dialyse sowie den Vorbereitungen
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