Die Liebe zu Rosen mit Dornen
Ich kannte nur seinen Vornamen, ungefähr die Gegend, in der er wohnte, und seine Telefonnummer, aber ich habe die Adresse herausgefunden und kam einer anderen Frau um ein paar Sekunden zuvor. Ja, ich habe die Töpfe bekommen.
Ich tippe »George Morton, San Luis Obispo« in die Suchmaschine.
Augenblicklich (nach all den Jahren Internet überrascht es mich immer wieder; halbwegs erwarte ich noch, bei der Recherche Karteikästen durchsuchen zu müssen) bekomme ich ein paar Treffer. Die meisten haben nichts mit ihm zu tun.
Ich gehe zur Bildersuche. Auf der vierten Seite springt mich ein Foto an. George Morton mit einer fremden Frau und einem kleinen Mädchen.
Bitterer Scheidungskrieg zwischen Alchemy-Tech-Gründer Morton und seiner Frau , lautet die Ãberschrift. Lara Stratton-Morton, ehemalige Laborantin bei Alchemy Tech, verlangt das alleinige Sorgerecht für ihre zweijährige Tochter.
Meine Finger sind eiskalt. Ich reibe sie aneinander. Ein kleines Mädchen? Eine Exfrau? Warum haben sie sich getrennt? Kurz blitzt Rileys Vater vor meinem inneren Auge auf, ein Mann, der inzwischen so weit weg ist, dass ich seinen Namen nachschlagen oder meine Mutter fragen müsste, wenn ich ihn wissen wollte.
Da mir nun bekannt ist, wie seine Firma heiÃt, fällt es mir leichter, weitere Artikel zu finden. Die meisten betreffen seine Forschungsarbeiten. Anscheinend hat er mit der Herstellung synthetischer Polymere zu tun. Dazu gehört künstliches Gummi, Kunststoffe wie Neopren und Nylon und natürlich Polyester. Weil Polymere auf Erdöl basieren und uns das Ãl langsam ausgeht, versuchen die Firmen, neue Möglichkeiten zu entwickeln, um diese Materialien herzustellen. Ich bin direkt beeindruckt vom Umfang seiner Arbeit. Warum sollte er so etwas hinter sich zurücklassen, um an einer unbedeutenden Schule zu unterrichten?
Dann stoÃe ich auf Gold. Na gut, vielleicht nicht gerade Gold. Eher eine Kröte, die ich schlucken muss.
Aktien von Alchemy Tech stürzten heute ab, als der Rücktritt des Hauptgeschäftsführers und Gründers George Morton bekannt wurde. Gerüchten nach steht eine Ãbernahme bevor, nachdem Morton seine Mehrheitsanteile bereits letzte Woche verkauft und sämtliche Funktionen niedergelegt hat. »Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Teams beste Arbeit leisten und sämtliche Verträge erfüllen werden«, hieà es in seiner Erklärung. Das Unternehmen beschäftigt sich vordringlich mit der Entwicklung neuer Kunststoffe für die Polymerindustrie.
Das sollte Dara wissen. Ich würde es jedenfalls wissen wollen. Ich greife nach dem Telefon.
Die Tür knallt. Riley bleibt melodramatisch am Eingang stehen und hält ein verchromtes MaÃband hoch, das mein Vater hier vergessen hat. »Ich weià jetzt, wie man es abliest. Soll ich es dir zeigen?«
Ich halte das Telefon in der Hand. Was soll ich sagen? Schön, dass du etwas gelernt hast, was alle anderen schon seit der sechsten Klasse können? Will sie als Nächstes Seilspringen lernen? Ich erröte angesichts meiner verwerflichen Gedanken. Ich bin ihr immer noch böse, weil sie hinter meinem Rücken dem Wissenschaftsteam beigetreten ist, obwohl die Schuld ja eigentlich bei Mr Morton liegt. Ich beschlieÃe, nichts vom Wissenschaftsteam zu sagen. »Im Moment nicht, Riley. Ich muss gerade telefonieren.«
Sie macht ein enttäuschtes Gesicht. Ich soll ihr dabei zusehen, wie sie ein MaÃband abliest? Eine gute Lehrerin würde das wohl tun. Ich lege den Hörer auf. »Miss die Couch aus. Zeig es mir.« Die Couch ist einfach. Ich weiÃ, dass sie genau einen Meter siebenundzwanzig breit ist.
»Vielleicht später.« Unwirsch pfeffert sie ihr MaÃband auf die Couch, sodass es abprallt und die Fernbedienung vom Kaffeetisch stöÃt. »Uups.«
»Ich hoffe, mein Tisch hat keinen Kratzer abbekommen.« Ich stehe auf und inspiziere den weiÃen Lack. Dara sagt, dieser Tisch sei »Shabby Chic«, so einer mit verschnörkelten Kanten. Ich habe ihn am StraÃenrand gefunden. Dara hat ihn erst rosa gestrichen, dann weiÃ. Dann hat sie an der Oberfläche herumgeschabt, um die untere Farbe freizulegen. Er erinnert mich an meine rosa-weiÃen Rosen.
»Er soll alt aussehen, Tante Gal.« Riley wirft sich auf den Sessel, was kleine Staubwolken im abendlichen Sonnenlicht aufwirbelt, die glitzernd in der Luft tanzen. »Tut mir
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