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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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jeden Fall nicht zu extrem. Das mit der Kette.
    – Nicht? Gut, dann nehme ich sie mit. Ich kann mich ja noch dort entscheiden, ob ich sie benutze. Es wird bestimmt auch ohne Kette gehen.
    – Manche nehmen sogar Rohre und Holzschläger, habe ich gehört.
    – So, gehört …
    – Ich war überhaupt noch nie dort.
    – Du meinst, in der Nacht?
    – Ja, am Tag natürlich schon. Ist ja unvermeidbar, dass man am Kind vorbeigeht. Außerdem wird ja inzwischen jede dritte Kundgebung und fast jedes Konzert davor veranstaltet. Die ganze Sache wird schon ein bisschen langweilig, wenn du verstehst, was ich meine.
    – Langweilig. Ja, ein gutes Codewort. Also dann – auf zur Langeweile.
    – Ich wünsche dir viel Spaß.
    – Ja, ja, richtig …
    – Was?
    – Pass gut auf meinen Pero auf. Er mag übrigens keine lauten Geräusche.
    – Du meinst, so etwas wie mit Eisenketten auf Lehm einschlagen? Keine Angst, ich glaube, das wird er nicht zu hören bekommen.
    – Wie meinst du das jetzt wieder? Findest du es doch extrem? Krank?
    – Nein, war nur ein Scherz. Amüsier dich. Du siehst übrigens hübsch aus in dieser Jacke.
    – Ja? Das sagt genau der Richtige.
    – Ich habe damit ja nicht sagen wollen, dass du –
    – Halt, keine solchen Ausdrücke vor meinem Kater. Er ist kastriert.
    – Welche Ausdrücke?
    – Träum weiter.
    – Also gut, wie auch immer, noch einmal: hübsche Jacke.
    – Auf Wiedersehen, angenehme Nacht.
    – Angenehme Nacht, Lea.
    Die Frau schlüpfte durch die Tür und sperrte von außen zu. Der Mann stand noch eine Zeitlang davor und sah das i-förmige Türschloss an. Ich habe keinen Schlüssel, dachte er, keinen Schlüssel, um zu flüchten. Aber es stellte sich, wider Erwarten, keine Klaustrophobie bei ihm ein. Vielleicht, weil ihn das lange Gespräch ermüdet hatte.
    Müdigkeit ist Gottgeschenk / dessen sei stets eingedenk. Aus dem Bauernkalender für durch Missernten verursachte Endzeitphantasien. Der Tod, die lauernde Kälte des Weltalls. Ein einsamer blutiger Handschuh auf einem Zaunpfahl, der Grenzposten einer zerfleischten Kultur.
    Die pathetischen Bilder taten ihm gut, beruhigten ihn.
    Im Wohnzimmer fiel irgendetwas um. Die Katze rannte schuldbewusst an ihm vorbei und verschwand im Badezimmer, dessen Fußboden beheizt war. Es war ein wunderschönes, geschmeidiges Tier mit stolzen, schmalen Pfoten und Augen von durchscheinendem, dunklem Bernstein. Auf der weißen Schnauze, die von den sonst über den ganzen zierlichen Körper verteilten getigerten Stellen ausgelassen worden war, befand sich eine einzelne punktförmige schwarze Fellstelle, ein Schönheitsfleck.
    Im Wohnzimmer durchstöberte er Leas CD-Sammlung. Bach. Hindemith. Sogar Ligeti. Bill Evans. Egberto Gismonti. Hun-Huur-Tuu. Radiohead. Nine Inch Nails. Ein sehr breiter Geschmack. Auch Bob Dylan war da, beinahe jedes Album dieses Poeten. Take me on a trip upon your – Und was war das? Hilliard Ensemble: Perotin. Er legte die CD ein. Die erste Silbe des Gesangs ertönte: Viii …
    – He, hörst du, das hast du komponiert, sagte er zur Katze, die gerade wieder ins Zimmer gekommen war, um sich den Fremdling genauer anzusehen. Sie schenkte der Musik keine Beachtung, sondern markierte nur mit dem Kinn, dann mit ihren Flanken den hölzernen Türrahmen, um ihm zu zeigen, dass das alles ihr Revier war und sie von ihm erwartete, dass er sich dementsprechend benahm.
    – Ja, ich weiß, sagte er zur Katze, ich fasse auch nichts an.
    Der Kater stellte die Vorderpfoten ordentlich nebeneinander und ließ sein Hinterteil zu Boden sinken. Wie eine Buddhastatue, die den Mittelpunkt des Universumsausmachte, saß er da und fixierte den Besucher. Was war wohl höflicher?, dachte Kirill, wegsehen oder den Blick erwidern?
    Er setzte sich in den Fernsehsessel. Das Hilliard Ensemble sang auf der Silbe deeh oder dääh herum, irgendwann mussten sie zur nächsten Silbe kommen. Die langsamste Musik der Welt. Die Menschen damals hatten wahrscheinlich eine andere Form von Geduld. Sie kam nicht von innen, so wie heute, dachte Kirill, sondern wurde einfach während des Lebens angenommen wie eine notwendige Liegehaltung oder Fechtstellung.
    Einen Augenblick ließ er den Gedanken auf seiner Zunge zergehen. Vermutlich war er Blödsinn. Obwohl es ganz gut klang, Liegehaltung, Fechtstellung. Vielleicht besser Stellung beim Reiten , wer weiß, ob damals schon so gefochten wurde wie heute, mit Schrittfolgen und allem Drum und Dran.
    Er bemerkte, dass die Katze auf dem Sofa

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