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Die Lieben meiner Mutter

Die Lieben meiner Mutter

Titel: Die Lieben meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schneider
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detailgetreu das Drama der letzten Kriegstage nach. Die Stimmung in den Kasernen und Stäben war von wachsender Unsicherheit und Nervosität bestimmt. Bei Lenggries und Seefeld in Tirol standen starke SS -Kräfte, vom südbayrischen Schongau her näherten sich unaufhaltsam die Amerikaner. Auf der Landstraße wälzte sich ein täglich wachsender Flüchtlingsstrom nach Süden, darunter die Ersatzeinheiten, die Gebirgsjägerschule, die Unteroffizierlehreinheiten – alle regel- und führerlos.
    Im Divisionsstabsgebäude in Garmisch-Partenkirchen rief Hörl seine Offiziere, unter ihnen Major Pössinger und Hauptmann Müller, zu einer Besprechung zusammen. Ein ungebetener Teilnehmer dieser Unterredung war der Oberstleutnant Hans Bauernfeind. Er stellte sich als »Sonderbeauftragter des Führers« vor, hatte offenbar von den Gerüchten gehört, dass Garmisch-Partenkirchen kampflos übergeben werden sollte, und beschuldigte Oberst Hörl der Verletzung seiner soldatischen Pflichten.
    Hörl ließ sich nicht einschüchtern und legte seinen Standpunkt dar: Truppe und Bevölkerung seien demoralisiert, mit den aufgelösten Truppenteilen sei eine Reorganisationnicht möglich, den Soldaten stehe nur noch eine »mittelalterliche Bewaffnung« zur Verfügung. Die »Rettung der soldatischen Ehre« sehe er darin, sinnloses Blutvergießen zu verhindern und die Bevölkerung und die Verwundeten in den Lazaretten zu schützen. Die anwesenden Offiziere stellten sich hinter Hörl. Nicht so »der Sonderbeauftragte des Führers« Bauernfeind. Die beiden Männer schrien sich an und drohten einander gegenseitig mit Erschießen. Major Pössinger, der Bauernfeind als Regimentskommandeur in Ostpreußen kannte, trat dazwischen und konnte die Situation entspannen.
    Einen Tag später kam Oberst Hörl zu Ohren, dass es einem Spezialkommando der 10. US -Panzerdivision gelungen war, das deutsche Brückenkommando an der Echelsbacher Brücke, der wichtigsten Verbindungsbrücke auf dem Weg nach Süden, lautlos zu überwältigen und so zu verhindern, dass sie gesprengt wurde. Auch im Ammertal in Südbayern hatten US -Verbände eine strategisch wichtige Panzersperre eingenommen. In dieser Situation hielt der Oberst den Zeitpunkt für die kampflose Übergabe von Garmisch-Partenkirchen für gekommen. Er beauftragte seine Offiziere, Major Pössinger und Oberleutnant Licht, den Amerikanern mit der weißen Fahne entgegenzufahren. Als Dolmetscher gab er ihnen Gisbert Palmié mit, einen des Englischen kundigen Kunstmaler, der in den Lazaretten von Garmisch-Partenkirchen zur Truppenbetreuung eingesetzt war.
    Hörl sah seine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass dieKapitulationsverhandlungen nicht noch in letzter Minute von SS -Eiferern, von Durchhalte-Funktionären der NSDAP oder von vagabundierenden Wehrmachtsteilen gestört oder gar verhindert wurden. In der Nähe standen immer noch zwei kampfbereite Gebirgsjägereinheiten. Während seine Unterhändler auf dem Weg zu den Amerikanern waren, ging im Divisionsstabsgebäude der Befehl von Generalfeldmarschall Kesselring ein, Garmisch-Partenkirchen »rücksichtslos zu verteidigen«. Oberst Hörl missachtete den Befehl und erteilte den ihm unterstehenden Verbänden die Weisung, alle Versuche zur bewaffneten Abwehr der US -Truppen zu unterbinden. Noch während seine Unterhändler verhandelten, gab er um 14 Uhr eine vorbereitete Proklamation an die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen heraus, die Stadt unterstehe ab sofort den von ihm befehligten Gebirgsjägern; ortsfremde Truppenteile, Stäbe und Dienststellen hätten Garmisch-Partenkirchen und Umgebung zu verlassen. Gleichzeitig verhängte er das Standrecht.
    Erst eine Stunde vorher, gegen 13.00 Uhr, hatten Pössinger, Licht und Palmié die von den US -Streitkräften eingenommene Panzersperre vor Oberammergau erreicht und gingen von dort aus den Amerikanern entgegen.
    Die Begegnung verlief zunächst nicht friedlich – auf Pössinger und seine Begleiter wurde trotz der weißen Fahne geschossen. Nach einigem Hin und Her gelang es aber, mit dem verantwortlichen Offizier der Amerikaner, Lieutenant Colonel »Red« Hankins vom 61. US -Infanteriebataillon,Kontakt aufzunehmen. Die Unterredung dauerte zwei Stunden. Pössinger eröffnete das Gespräch mit der Versicherung, das gesamte Loisachtal einschließlich der Lazarettstadt Garmisch-Partenkirchen werde kampflos an die Amerikaner übergeben. Hankins reagierte abweisend und gab zu verstehen, dass bereits alle Vorbereitungen

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