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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Auswahl der Berufe, die die Patienten des heutigen Tages gehabt hatten. Vierundzwanzig Stunden später würde ich dann genauso fest davon überzeugt sein, daß meine Berufung im Verkauf von Enzyklopädien, im Züchten von Bulldoggen oder Kreuzen von Chrysanthemen läge.
    Es ist bestimmt schwierig, dauernd zwischen den Gänseblümchen herumzulaufen, ohne daß ihr Blütenstaub an einem hängen bleibt. Aber was auch immer haftenblieb, Sylvia brachte es fertig, es abzüstauben. »In geschäftlicher Hinsicht würdest du vollkommen hilflos sein«, erklärte sie mir. »Außerdem kannst du keine fünf Minuten stillsitzen. Kannst du dir vorstellen, daß du den ganzen Tag hinter einem Schreibtisch sitzt?«
    Und ebensowenig konnte ich mich, wenn ich es richtig betrachtete, für Bulldoggen erwärmen oder Begeisterung für Zinnkannen aufbringen.
     
    Da Sylvia darauf bestand, hatten wir uns Häuser angesehen. Ich wußte, daß es noch ein bißchen zu früh war, aber Sylvia hatte sich von dem Gedanken eines Umzugs so mitreißen lassen, daß ich nicht das Herz hatte, ihren Eifer zu dämpfen; das erledigten die meisten der Häuser, die wir uns ansahen, selber. Wenn sonst nichts dabei herauskam, so hatten uns die Führungen durch die verschieden »wünschenswerten Besitzungen«, die Hausmakler und ihre schwülstigen Lobpreisungen über das Objekt, das sie anzubieten hatten, kennen gelehrt. Wir waren inzwischen schlau geworden und hatten gelernt, zwischen den Zeilen der vervielfältigten Listen, die wir mit jeder Morgenpost bekamen, zu lesen.
    Wir wußten jetzt, daß »verkehrsgünstig gelegen« bedeutete, daß es eine Bushaltestelle direkt vor der Tür gab, und »reizvolle Lage«, daß für Meilen im Umkreis keine vorhanden war. »Landhaus« war eine hübsche Umschreibung für Kaminecken, winzige Fenster und klösterliche Zimmer, während eine »moderne Besitzung« meist eins der gleichförmigen, modernen Siedlungshäuser war, die sich nur durch die verschieden verkleideten Kaminsimse unterschieden.
    Wir wußten, daß »teilweise Zentralheizung« in einem einzigen lauwarmen Radiator in der Diele bestand, daß eine »eichengetäfelte Diele« so dunkel war, daß man selbst mittags Licht machen mußte, daß ein »Spielzimmer über die ganze Länge des Hauses« (auf das wir beim ersten Mal begeistert hereingefallen waren) durch eine kleine Luke an einer Seite des Bodens und eine unsichere Leiter erreicht wurde, die für Kinder zu gefährlich war, und daß ein »gut gepflegter Garten« sich als einige verwilderte Apfelbäume und einige alte Lilienstauden heraussteilen würde.
    Wir hatten jetzt einen überlegenen Standpunkt erreicht und trieben den Makler nicht mehr an, eine schnelle Besichtigung zu vereinbaren, bevor wir nicht nähere Einzelheiten über das Haus erfahren konnten. Ich war daher sehr überrascht, als mich Sylvia an dem Tag, bevor sich der erste der in Frage kommenden Assistenten vorstellen sollte, an der Tür erwartete und vor Aufregung stotterte: »Ich hab’ es gefunden, ich hab’ es!«
    »Was?«
    »Ein Haus. Das Haus.«
    »Es kann nicht gut sein«, entgegnete ich aus den Tiefen meiner Enttäuschungen. »Und wenn es gut ist, wird es zu teuer sein.«
    Sylvia war nicht zu unterbrechen. Sie stotterte weiter über das Badezimmer, die Waschbecken, die Einbauschränke und die Küche. »Du mußt es ansehen«, schloß sie endlich, »jetzt sofort.«
    »Wenn du nichts dagegen hast«, sagte ich, »werde ich mir erst noch Mrs. Drews Bronchien oder die Windpocken des Cuthbert-Babys ansehen.« Ich blickte sie mißtrauisch an. »Du hast mir übrigens noch gar nicht den Preis genannt. Was wollen sie haben?«
    Sylvias Gesicht verfiel. »Nun, ziemlich viel. Aber ich hoffe, sie werden noch etwas nachlassen.«
    »Nach deinem Gesicht zu urteilen, werden wir nicht einmal den Nachlaß aufbringen können. Heraus damit. Wieviel?«
    Sylvia flüsterte eine astronomische Summe.
    »Du mußt verrückt sein«, stöhnte ich.
    »Das ist es wert!«
    »Daran zweifle ich nicht«, gab ich zu, und dann, in einem schwachen Augenblick, willigte ich ein, es mir anzusehen.
     

7. KAPITEL
     
    Es dauerte zwei Wochen, bis ich die Zeit fand, das Schmuckstück, das Sylvia entdeckt hatte, zu besichtigen. In der ersten Woche waren die Leute, denen es gehörte, verreist, und in der zweiten Woche brachen bei fast jedem Kind in meinem Bezirk die Windpocken aus.
    Windpocken sind keine ernsthafte Krankheit. Viele Mütter wurden allein oder mit Hilfe einer Flasche

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