Die lieben Patienten!
Händeschütteln, den Austausch von höflichen Phrasen, die Gegend und das Wetter betreffend - und uns einander gegenüber in den Sesseln des Kaminzimmers niedergelassen hatten, wurde es deutlich, daß Doktor Frogley derjenige war, der mich ausfragte.
Er trug eine Sportjacke, die man, glaube ich, am besten mit senffarben beschreiben könnte, und eine grüne Fliege. Im Gesicht, das die Farbe seiner Jacke reflektierte, falls es nicht die natürliche Farbe war, hatte er einen flotten Schnurrbart, und er trug spitze Wildlederschuhe. Er sah aus, als sei er mehr auf einer Rennbahn als in einem Sprechzimmer zu Hause.
»Als erstes«, begann er, sobald er die Falten seiner Hose zu seiner Zufriedenheit zurechtgezogen hatte und bevor ich dazu kam, meinen Mund zu öffnen, »was für ein Gehalt zahlen Sie? Bekomme ich einen Wagen gestellt, und haben Sie Ihre Patienten gut trainiert?«
»Trainiert?« fragte ich. »Ich habe eine Praxis und keinen Zirkus. Was meinen Sie damit?«
»Nach zehn Uhr morgens werden keine Besuche mehr angenommen, der letzte Patient wird eine halbe Stunde vor Schluß der Sprechstunde ins Wartezimmer gelassen, keine Injektionen, keine kleineren Operationen, keine Sonnabend-Sprechstunde -das wären so ungefähr meine Wünsche.«
Ich wurde neugierig, da Doktor Frogley mir eine ausgezeichnete Empfehlung von einem Doktor Matthews geschickt hatte.
»Sagen Sie mal«, bat ich, »wie hat eigentlich Doktor Matthews seine Praxis geführt?«
Doktor Frogley verschwendete nicht viele Worte. »Wartezimmer geöffnet ab acht Uhr, Tür geschlossen um neun Uhr dreißig, erster Patient um zehn Uhr untersucht...«
»Einen Augenblick«, staunte ich. »Habe ich recht verstanden, daß die ersten Patienten bereits um acht Uhr kamen und daß sie dann erst zwei Stunden später angefangen haben?«
»Genau! Doktor Matthews war der Ansicht, daß die Patienten auf den Arzt zu warten haben, und nicht der Arzt auf die Patienten.«
»Sie wollen damit sagen, daß die Patienten zwei Stunden lang da herumgesessen haben?«
»Oh, Stühle gab es nicht. Dafür war kein Platz. Da gab es wenigstens keine Simulanten, die nur wegen der Unterhaltung kamen.«
»Und dann haben Sie und Dr. Matthews um zehn Uhr begonnen?«
»Genau. Den kleinen Haufen hatten wir schnell durchgearbeitet. Kleinere Operationen zum Unfalldienst, Penicillinspritzen an die Gemeindeschwester, reden durfte nur, wer gefragt wurde, Kinder mußten ausgezogen hereingebracht werden...«
»Und die Patienten haben sich das alles gefallen lassen?«
»Größte Praxis in Birmingham«, sagte Doktor Frogley. »Alles nur eine Frage des Trainings.«
»Ich fürchte, meine Patienten würden mit solchen Bedingungen nicht einverstanden sein. Und mir gefällt das auch nicht«, wehrte ich ab.
»Ich nehme an, daß Sie den ganzen Tag Besuche machen?« fragte Doktor Frogley verächtlich.
»Ja, das tue ich, und aus dem Grunde brauche ich einen Assistenten.«
»Um Himmels willen, Junge«, stöhnte Frogley, »wir hatten in Birmingham dreimal so viele Patienten auf unserer Liste, aber nach dem Lunch wurde kein Besuch mehr gemacht. Um zwei Uhr waren wir im Club.«
»Sie beide?«
»Wir beide. Wenn man die Patienten zu sehr verhätschelt, hat man keinen Augenblick mehr Ruhe, außerdem respektieren sie einen nicht. Man muß die Sache nach geschäftlichen Gesichtspunkten aufziehen. Ist wirtschaftlicher.«
Ich stand auf. »Hören Sie, ich danke Ihnen sehr für Ihr Kommen, Doktor Frogley, aber wir haben anscheinend nicht dieselben
Ansichten über unsere Arbeit. Ich habe weder ein Geschäft noch eine Rinderfarm...«
»Ich könnte in kürzester Zeit die Hälfte Ihrer Arbeit...«
»Sicher könnten Sie das, aber ich bevorzuge meine Art der Praxisführung.«
»Zeitverschwendung. Für Luxusbehandlung bekommen wir nicht genug bezahlt...«
»Vielleicht haben Sie recht...«
»Natürlich habe ich recht...«
»Trotzdem, wenn es Ihnen nichts ausmacht...«
»Schon gut, Junge, schon gut.«
Weniger als alles andere konnte ich es ertragen, wenn man mich »Junge« nannte. Ich reichte ihm seinen Hut und zeigte ihm die Tür.
Ich wußte, daß es Ärzte gab, die ihre Praxis auf diese Art führten, aber jetzt hatte ich zum erstenmal aus erster Hand gehört, wie sie es machten.
Das Seltsame daran war, daß es wirklich Leute gab, die hieran keinen Anstoß nahmen. Anscheinend mußten diese Patienten unter einer Art von Masochismus leiden und glauben, daß man ihnen um so besser helfen würde, je mehr sie zu
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