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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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rücksichtslosen, rohen, liederlichen, faulen, unwissenden Burschen bezeichnete, der jedoch immerhin so gewitzt gewesen sei, daß er seinen Professoren lange genug Sand in die Augen streuen konnte, bis er seine Qualifikation als praktischer Arzt bekommen habe.
    Das seltsamste dabei war jedoch, daß ich für Miss Chudley überhaupt nichts tat, meine Besuche bei ihr konnte man eher gesellschaftlich als ärztlich nennen, während ich Mrs. MacConnal mehr Zeit, Energie, Geduld und medizinisches Wissen widmete als irgendeinem anderen meiner Patienten. Es war keine Übertreibung, wenn ich behauptete, daß sie nur durch meine Bemühungen während der letzten drei, vier Jahre noch am Leben war. Ich war allzu lange als Arzt tätig, um von irgend jemandem Dankbarkeit für meine Behandlung zu erwarten (wir bezahlen’s ja, nicht wahr?), aber die Beschimpfungen, die ich von den alles andere als damenhaften Lippen der Mrs. MacConnal entgegennehmen mußte, gingen ein bißchen zu weit.
    Sie wohnte in einer städtischen Wohnung im obersten Stockwerk eines sechsstöckigen Blocks ohne Aufzug, die früher einmal wunderbar sauber gewesen war, aber von ihr mit Hilfe ihres Saufboldes von Mann und drei Kindern in kürzester Zeit in den Zustand eines Schweinestalles versetzt wurde. Die MacConnals lebten nach einem einfachen dreiteiligen, verneinenden Glaubensbekenntnis: keine Arbeit, kein Kochen, kein Waschen. Sie lebten von Wohlfahrtsunterstützung und Kartoffelchips und wälzten sich in ihrem eignen Dreck.
    Mrs. MacConnal litt an einer Art Herzasthma, bei dem die Anfälle, wie es hierfür typisch war, in den ersten Morgenstunden kamen. Ich wurde gewöhnlich von einem Nachbarn herausgeklingelt, der sich nur in den dringendsten Fällen bewegen ließ, etwas mit dieser Familie zu tun zu haben, da MacConnal selbst zu dieser Zeit meistens vor Trunkenheit bewußtlos im Bett lag.
    Dann fand ich Mrs. MacConnal ernsthaft krank, um Atem kämpfend. Ich gab ihr eine Morphiumspritze und vielleicht Sauerstoff, und manchmal war ein Aderlaß notwendig.
    Während meiner nächtlichen Besuche bei den MacConnals sagte ich kein Wort, falls ich nicht eines der schmutzigen Kinder zurückweisen mußte. Mrs. MacConnal war gewöhnlich nicht in der Lage, sich zu unterhalten, und ihr Mann kam überhaupt nicht zu sich.
    Bei dem Morgenbesuch, der dieser nächtlichen Veranstaltung folgte, hatte ich jedoch um so mehr zu sagen. Bevor ich ein Wort äußerte, öffnete ich erst einmal sämtliche Fenster, was nicht so leicht war, wie es sich anhört, um zu versuchen, mit ein bißchen frischer Luft den unbeschreiblichen Gestank zu vertreiben.
    Mrs. MacConnal kroch fröstelnd unter der Bettdecke zusammen. »Ich werde mir den Tod holen«, winselte sie.
    »Sie werden eher an dem Gestank hier sterben als an ein bißchen frischer Luft«, widersprach ich.
    Am Morgen nach meinen nächtlichen Besuchen bei Mrs. MacConnal konnte ich damit rechnen, daß wenigstens noch drei weitere Patienten um meine Aufmerksamkeit baten.
    Einmal war ich gerade mit der Untersuchung von Mrs. MacConnal fertig, die sich von dem Anfall der vorhergehenden Nacht vollkommen erholt hatte, als sie noch einmal unter die grauen Laken tauchte und mit einem kleinen Baby hervorkam.
    »Was macht denn das da?« fragte ich überrascht.
    »Sein Auge ist verklebt, deshalb hab’ ich’n im Dunkeln behalten«, erklärte Mrs. MacConnal. »Es soll mir doch nicht blind werden.«
    »Wie lange sind seine Augen schon verklebt?«
    »Vierzehn Tage oder drei Wochen.«
    »Und die ganze Zeit ist er da unter der Bettdecke gewesen?«
    »Oh, nein. Nur heute morgen. Sie waren heute morgen mehr verklebt.«
    »Warum habe ich ihn bisher noch nicht gesehen, wenn er schon seit drei Wochen schlimme Augen hat?«
    »So leicht kommen Sie ja nicht, Sie sind ja auch nicht gekommen, als Charlie Wallace ’n Splitter in der Hand hatte.«
    »Kommen?« wiederholte ich. »Wegen verklebter Augen? Sie wissen doch, wann ich Sprechstunde habe.«
    »Oh, ich konnte ihn nicht bringen.«
    »Warum nicht?«
    »Meine Füße.«
    »Was ist mit Ihren Füßen?«
    »Sie tun weh.«
    »Dann zeigen Sie sie mir mal her.«
    Sie streckte ein Paar schmutzige Füße unter der Bettdecke hervor. Ich rührte sie nicht an.
    »Die sehen mir ganz gesund aus.«
    »Ich brauche elastische Binden.«
    »Wer sagt das?«
    »Mrs. Jones. Die Ärztin hat ihr welche für ihre Gicht gegeben.«
    »Sie haben keine Gicht. Ich weiß wirklich nicht, was mit Ihren Füßen sein soll.«
    »Ich hab’ Sie

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