Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
Vom Netzwerk:
Galmeitinktur damit fertig, aber die restlichen hielten mich am Laufen. Während sich der erste Schub Kinder juckte und kratzte, hielten ängstliche Eltern ein wachsames Auge über die zweiten und dritten. Das Telefon hörte nicht auf zu klingeln.
    »Jennifer hat Windpocken. Was soll ich mit dem Baby machen?«
    »Susan soll ihre Oma besuchen, aber Robert hat Windpocken. Ist es richtig, daß ich sie fortschicke?«
    »Wie lange wird es dauern, bis man weiß, ob Arthur sie auch bekommt?«
    »Kann Penelope zur Schule gehen?«
    »Jane hat Windpocken, meine Schwägerin ist in anderen Umständen. Kann sie wohl zu uns zum Tee kommen?«
    »Richard hat einige komische Flecken, Doktor, und nun will er heute Geburtstag feiern...?«
    »Melanie war die ganze Nacht wach und hat sich gekratzt. Kann man ihr irgendwie helfen?«
    »Steven hat Windpocken, Doktor, kann meine Haustochter zum Kursus gehen?«
    Ich hatte wenig Zeit, an Häuser zu denken, und noch weniger, mir Assistenten anzusehen.
    Auf meine Anzeige war eine ganze Reihe von in Frage kommenden Bewerbungen eingetroffen, und während der letzten turbulenten vierzehn Tage hatte ich einige davon zur Vorstellung kommen lassen, die mir jedoch nicht zusagten, nachdem ich sie gesehen hatte, und einer hatte sich abschrecken lassen, bevor ich ihn zu Gesicht bekam.
    Von Anfang an war mir diese ganze Arbeit zuwider. Es begann mit den Briefen der Bewerber, aus denen meist eine bittere Verzweiflung klang. Es stimmte mich traurig, daß Männer meines Alters mit gleichen und in manchen Fällen sogar besseren Qualifikationen und Erfahrungen immer noch herumgeschoben wurden, ohne Wohnsitz waren und nur ab und zu ein lächerlich geringes Gehalt erhielten.
    Es gab zwei Hauptgründe für den Zustand, in dem die Schreiber dieser Briefe sich befanden.
    Eine Gruppe bildeten die »überzähligen Spezialisten«, die sich so lange auf Assistenzstellen in Krankenhäusern herumgedrückt hatten, his sie die Aussichtslosigkeit einer Beförderung, die dauernde Zurücksetzung und das ärmliche Gehalt nicht mehr ertragen konnten und sich entschlossen, ihre Träume nunmehr auf eine Arztpraxis zu richten, in der sie sich bequem niederlassen konnten. In dieser Gruppe war der Assistent, den ich suchte, nicht zu finden. Sie hatten so lange in Krankenhäusern gearbeitet, daß sie die besonderen Sorgen des Hausarztes nicht mehr verstanden. Sie hatten ein gutes Verständnis für >Fälle<, hatten aber wenig Ahnung von >Patienten<. Sie hatten die notwendige Behandlung in ihren Fingerspitzen, waren es aber nicht gewohnt, in ihrer Ärztetasche die tausendundein Diagnosen für die Krankheiten eines jeden Tages mit sich herumzutragen. Es waren meist hart arbeitende, kluge -oft überragende - Ärzte, aber von der allgemeinen Praxis verstanden sie nicht viel, sie konnten nicht einmal einen Scherz mit den Patienten machen, und ich würde keine Zeit haben, jemanden in dieser Weise anzulernen.
    Die zweite Gruppe der Bewerber bestand aus praktischen Ärzten, das Richtige also, aber sie hatten noch keine eigene Erfahrung.
    Seit die Einsetzung des Nationalen Gesundheitsdienstes dem An- und Verkauf von Arztniederlassungen einen Riegel vorgeschoben hatte, konnte man an solche in beliebten Bezirken nur außerordentlich schwer heran. Ein Blick in die medizinischen Zeitschriften bestätigte die Tatsache, daß man nach praktischen Ärzten in entfernt gelegenen, spärlich bevölkerten Landbezirken schrie, während in jeder größeren Stadt oder hübschen ländlichen Gegend für jede freie Stelle Hunderte von Bewerbern bereitstanden. War man nicht glücklich genug gewesen, eine dieser Praxen zu erwischen, blieb als einziger Ausweg, sich als Privatarzt niederzulassen - ein Unternehmen, bei dem man in sehr kurzer Zeit eingehen konnte - oder Assistent oder Vertreter für eine Reihe praktischer Ärzte mit guter Praxis zu werden und zu hoffen, daß man eines Tages eine Teilhaberschaft angeboten bekam.
    Es war einer aus dieser zweiten Gruppe, mit einer allgemeinen Praxis gut vertraut, den ich einzustellen gedachte; und voller Hoffnung, den Richtigen gefunden zu haben, bestellte ich ihn zur Vorstellung. Doktor Frogley zerstreute schnellstens das Gefühl des Mitleids, das ich zu unserer kleinen Besprechung mitgebracht hatte, und gab mir dafür ein Gefühl des Schreckens, das noch lange anhielt, nachdem ich ihm die Tür gewiesen hatte.
    Sobald wir das vorbereitende Geplänkel hinter uns gebracht hatten - das Ablegen des Hutes und Mantels, das

Weitere Kostenlose Bücher