Die lieben Patienten!
sie. »Riffi, Liebling.« Und dann streifte sie ihre Schuhe ab und ließ einen endlosen Redeschwall in Schweizerdeutsch ertönen, in den zuerst zahllose »nein, nein, neins« eingestreut waren, die später von einer Anzahl »ja, ja, jas« abgelöst wurden. Als die »jas« ihren anscheinenden Höhepunkt erreicht hatten, hielt sie eine Hand über die Muschel und flüsterte mir zu: »Bitte, kann ich morgen frei haben?«
»Morgen?« wiederholte ich. »Sie sind doch gerade erst angekommen. Außerdem ist meine Frau krank.« Ihre Hochstimmung war dahin, und sie kehrte zurück zu Riffi und der »nein, nein, nein«-Folge.
Ich gab ihr noch zwei Minuten und sagte dann: »Hören Sie, wir können das Telefon in diesem Haus nicht so lange beanspruchen. Es könnte sein, daß mich ein Patient sprechen möchte.« Sie nickte, obwohl ich nicht annahm, daß sie mich verstanden hatte, da die Konversation, die ziemlich einseitig zu sein schien, fortdauerte. Dann, wie es mir vorkam, außerordentlich plötzlich, warf sie noch einige Küsse durchs Telefon, schlüpfte wieder in ihre Schuhe und legte den Hörer mit einem Knall nieder.
»Mein Freund«, seufzte sie. Anscheinend fühlte sie sich verpflichtet, mir eine Erklärung abzugeben.
Ich erhob mich ohne Zögern und blickte auf meine Uhr. »Und jetzt«, sagte ich fest, »werde ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen, damit Sie zu Bett gehen können. Oder sind Sie noch hungrig?«
»Hungrig?«
»Ja.«
Sie klopfte sich auf den Bauch, rollte die Augen und machte mit der Hand eine Bewegung auf- und abwärts. »So ging das Schiff. Ich kann nichts essen.«
»Gut«, sagte ich erleichtert, »dann kommen Sie.«
Sie blickte sich mit Widerwillen in ihrem Schlafzimmer um, während ich vierzehn weiße Gepäckstücke die Treppe hinauftrug. Ich mußte zugeben, daß es nicht sehr groß war, aber es war hübsch bequem und modern eingerichtet und hatte sogar ein Radio.
Sie warf einen Blick in den kleinen Schrank, sah sich dann hilflos um und zeigte auf ihr Gepäck, das auf ihrem Bett, dem Stuhl und dem Fußboden aufgehäuft war.
»Meine Sachen«, sagte sie. »Da ist kein Platz!«
Aber ich hatte jetzt genug. »Meine Frau wird Ihnen morgen früh Platz schaffen. Jetzt müssen Sie schlafen gehen. Ich bin wenigstens müde, falls Sie es noch nicht sein sollten.«
»Sie haben eine Frau?« fragte sie und starrte mich an.
»Das habe ich Ihnen doch vorhin schon gesagt. Sie ist krank.«
»Schade.« Ich weiß nicht, betrauerte sie die Tatsache, daß ich eine Frau hatte oder daß diese krank war. Mir war es gleich. Ich wünschte ihr gute Nacht und schloß die Tür.
Als ich wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte, schlief Sylvia bereits. Kaum hatte ich meine Hose zum zweitenmal ausgezogen, als es an die Tür klopfte. Ich steckte meinen Kopf hinaus.
»Bitte«, fragte Miss Wiederkehr, »Toilette?«
Ich war kein guter Gastgeber gewesen. Aber nachdem ich ihr erklärt hatte, daß der von ihr gewünschte Raum neben dem ihren läge und die Tür weit offenstände, wurde es mir klar, daß es nicht ihre Unwissenheit, sondern der Wunsch gewesen war, mir ihr rosa Nylon-Neglige vorzuführen, in dem sie, wie ich zugeben mußte, außerordentlich bezaubernd aussah.
Am Morgen schien es Sylvia ein wenig besser zu gehen, und sie machte den Versuch, aufzustehen. Sie war jedoch wirklich noch nicht in der Lage dazu und war sichtlich erleichtert, als ich darauf bestand, daß sie im Bett blieb.
»Wie willst du nur fertig werden?« seufzte sie. »Du kannst doch Doktor Letchworth nicht wieder die Hausarbeit machen lassen.«
»Du vergißt, daß wir Miss Wiederkehr haben.«
»Natürlich, die habe ich ganz vergessen.«
»Ich werde sie aufwecken. Wie heißt sie denn noch? Ich kann sie doch nicht immer Miss Wiederkehr rufen.«
»Yvonne«, sagte Sylvia und schlief weiter.
Ich klopfte sanft an die Tür. »Yvonne!« Nichts. »Yvonne!« Ich klopfte lauter, rief lauter, wartete und ging dann hinein.
Die Decke reichte nur bis zu ihrer Taille, ihr Nachthemd war durchsichtig, und sie schien noch zu schlafen. Wieder rief ich ihren Namen und wieder keine Antwort, deshalb griff ich ihre Schulter und rüttelte sie.
»Riffi!« rief sie verzückt, schlang die Arme um meinen Hals und zog mich zu sich herunter.
»Yvonne«, sagte ich streng, indem ich mich aus ihrer Umarmung löste, »es ist Zeit, aufzustehen!«
Jetzt erkannte sie mich, merkte, wo sie sich befand, und blickte widerwillig auf die winzige Uhr auf ihrem Nachttisch.
»Jetzt?«
»Ja.«
»So
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