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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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früh?«
    »Ja. Beeilen Sie sich, bitte. Die Kinder müssen ihr Frühstück haben.«
    »Kann ich ein Bad nehmen?«
    »Wenn es nicht zu lange dauert.«
    Sie warf ihre Bettdecke zurück, und ich ging.
    Eine Stunde später, als Robin und ich schon das Frühstück für Sylvia, Caroline und die Zwillinge, die jetzt alle auf dem Wege der Besserung waren, zubereitet hatten, erschien Miss Wiederkehr. Sie klopfte an die Tür meines Sprechzimmers, während ich Mr. Harper untersuchte.
    »Bitte«, sagte sie, und ein Wartezimmer voll neugieriger Leute hing an ihren Worten, »ich bin fertig.« Ich ließ Mr. Harper beim Ankleiden und zeigte ihr den Weg zur Küche, wo noch die Rückstände des Frühstücks herumstanden und das Hündchen wieder einige Bächlein auf den Boden gesetzt hatte. Ich mußte zugeben, daß es nicht sehr verlockend aussah. Miss Wiederkehr schien dicht vorm Übel werden zu stehen.
    Ich entschuldigte die Verfehlungen des Hündchens. »Er ist noch ein Baby«, sagte ich besänftigend und zeigte auf den kleinen Burschen, der in einem Pappkarton saß, den wir ihm gegeben hatten, und uns mit geneigtem Kopf flehend ansah. »Einer meiner Patienten hat ihn mir für die Kinder geschenkt. Wir werden ihn bald stubenrein haben.«
    Miss Wiederkehr, in hellem Rock und rosa Pullover, schien unbewegt. Ich gab ihr eine von Sylvias Schürzen, bat sie, sich Frühstück zu machen, und überließ sie sich selbst.
    Im Wartezimmer lag noch der schwere Duft von Lanvins Arpège in der Luft. Mr. Harper, jetzt angekleidet, fragte neugierig: »Wer war das, Doktor?«
    »Unser neues Mädchen.«
    Er zwinkerte mir vielsagend zu.
    Nach Mr. Harper kamen noch achtzehn Patienten, und jeder fragte mich, wer sie sei. Die Reaktion der Männer war die gleiche wie bei Mr. Harper, die der Frauen ging mehr ins Praktische. Sie waren alle der Meinung, daß Yvonne uns keinen Nutzen bringen würde. Sie hätten auch schon welche gehabt, sagten sie, und sie wüßten Bescheid. Die einzige, die eine brauchbare Bemerkung machte, war Mrs. Hampton, die es bedauerte, nicht früher gewußt zu haben, daß wir ein Mädchen suchten, da ihr italienisches Mädchen eine Freundin habe, die von Genua herüberkommen wolle und einen Job suche.
    Als sie alle fort waren, öffnete ich im Wartezimmer weit die Fenster, um den schweren Parfumgeruch hinauszulassen, der sich jetzt mit weniger erfreulichen Gerüchen vermengt hatte, und ging nachzusehen, wie Yvonne mit der Arbeit vorankäme.
    Sie saß auf einem Stuhl in der Küche, rauchte eine Zigarette in einer langen, grünen Zigarettenspitze und trank Kaffee. Das Frühstücksgeschirr stand noch am gleichen Platz. Von dem Hündchen war nichts zu sehen.
    »Wo ist der Hund?« fragte ich.
    Sie zeigte auf die Hintertür. Der Garten war leer, aber die Seitenpforte stand weit offen.
    »Er ist doch noch so klein«, schalt ich. »Sie dürfen ihn doch nicht allein hinauslassen!«
    Als Antwort lächelte sie mich an, blies einen Rauchring und hob ihre Kaffeetasse.
    An der Haustür schellte es. Als ich sie öffnete, konnte ich niemanden entdecken. Dann sah ich nach unten. Penny, im Schlafanzug und barfuß, hielt das Hündchen im Arm.
    »Penny, wo warst du?«
    »Ich war am Fenster, und da sah ich ihn die Straße ’runterlaufen. Die Tür muß zugefallen sein.«
    Ich war froh, daß ich mich zu meinen Besuchen davonmachen konnte.
    Als ich zurückkam, krochen Sylvia und Caroline wie Gespenster in ihren Morgenröcken durch die aufgeräumte Küche und bereiteten den Lunch vor.
    »Wo ist Miss Wiederkehr?«
    »Gegangen«, antwortete Sylvia lakonisch.
    »Gut«, sagte ich unbeeindruckt, »die wären wir los.« Und dann, als ich mich gerade daran erinnerte, was Mrs. Hampton über das italienische Mädchen gesagt hatte, fühlte ich einen Schmerz in meinen Gedärmen, als würde ein Messer darin umgedreht.
    »Oh!« keuchte ich.
    »Was ist?« fragte Sylvia.
    Aber ich war schon auf dem Weg ins Badezimmer. Ich bin der Überzeugung, daß jeder praktische Arzt ab und zu krank sein sollte. Es war eine seltsame Sache, plötzlich die Medizin von der subjektiven Seite ansehen zu müssen, aber ich bin sicher, daß es meiner Heilkunst zugute kam. Ich konnte mir vorstellen, wie sich die Patienten unter ihrer Decke fühlten. In vierundzwanzig unerfreulichen Stunden fand ich heraus, warum sie stöhnten, seufzten und sich an den Kopf faßten, warum sie manchmal keine Lust zum Reden hatten, warum sie sich, kurz gefaßt, selber leid taten und manchmal glaubten, ihre letzte

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